Der Gute-Nacht-Zirkus

Nach dem Gutenachtritual, wenn Mama das Licht abdreht, wird es erst so richtig laut und lustig im Kinderzimmer. Toni, 7, und Lara, 4, lachen, scherzen, hüpfen. Keine Spur von Müdigkeit, noch eine gute Stunde. Am nächsten Morgen sind sie unausgeschlafen. Je mehr Mama ermahnt, umso lustiger werden sie, bis sie genervt drauf los brüllt und droht: „Fernsehverbot! etc. Dieser Zirkus am Abend macht die Mutter richtig fertig.

Bei jeder Ermahnung betteln die Kinder um Wasser, Klo gehen, Licht ab, Licht an, Gelächter, Geschimpfe, etc. Wenn Mama schimpft, kontert Toni: „Immer bin ich schuld!“ oder „Soll ich ins Bett machen?“

Wenn das Kind führt

Diese Fragen machen deutlich, wer hier führt, nämlich das Kind, indem es instinktiv versucht, Schuldgefühle zu unterjubeln. Die Mutter steigt darauf ein, indem sie sich rechtfertigt und damit die schwächere Position einnimmt. Bei genauerem Hinhorchen spürt die Mutter, dass es sich um Ausflüchte und ein eingefahrenes Spielchen handelt, bei dem sie sich an der Nase herumführen lässt. Um auszusteigen, muss sie den Spieß umdrehen, durch hinterfragen: „Wer zwingt dich, Wirbel zu machen?“ oder „Warst du nicht vorhin auf der Toilette?“ Wichtig ist auch, dass die Mutter lernt, in Ich-Botschaften statt Geschimpfe zu kommunizieren:

„Ich brauche am Abend meine Ruhe und ich möchte, dass ihr das ernst nehmt!“

Um eine Trendwende einzuleiten, sollte sie mit den beiden ein Gespräch in ruhiger Minute führen, bei dem sie das Problem auf den Punkt bringt und die Kinder nach ihren Ideen fragt, was sie brauchen, um Disziplin zu lernen und gut und ruhig einzuschlafen: „Ich freue mich, dass ihr so fröhlich seid und euch so gut versteht, aber nach dem Abendgebet habe ich ein Problem mit eurem Übermut!“ Vor dem Schlafen gehen sollte sich die Mutter überzeugen, ob jeder Hunger, Durst und Pipi erledigt hat. Die Kinder erhalten ein liebevolles und konstantes Abendritual, danach ist Schluss. „Ich muss aufs Klo“ darf nicht mehr ziehen. Wunschgemäß bleibt die Türe einen Spalt offen. Wenn keine Ruhe herrscht, wird sie geschlossen. Ihr fürchtet euch? Das müsst ihr aushalten. Sich „fürchten“ und dabei kichern – das klingt nicht dramatisch.

Mit dem Anspruch, eine gute Mutter zu sein, lassen sich viele Mütter oder Väter am Gängelband ziehen und lassen zu, dass ihre Kinder sie nicht ernst nehmen. Verständnis, Konsequenz und manchmal auch ein bisschen Strenge sind nötig, statt Schimpfen und Hilflosigkeit. Das fordert die Kinder erst so richtig heraus.

Um gute Gewohnheiten einzuüben, erhalten die Kinder einen Bonus – am nächsten Tag. Auch väterliche Unterstützung tut gut. Das hat nichts mit Unfähigkeit zu tun. Jeder Elternteil hat seine eigenen Stärken und Schwächen. Warum soll sich nicht auch Papa engagieren und seiner Frau den Rücken stärken? Wenn die Eltern den Abend genießen können, tut das auch ihrer Beziehung gut.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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