Buntes Lesevergnügen: Warum Comics mit anderen Büchern nicht konkurrieren

Manchmal kommt mir vor, ich lebe in Entenhausen.

Donald und Daisy Duck, Gustav Gans und der knausrige Dagobert tummeln sich bei uns überall. Macht nichts. Denn Comics sind vergnüglich, anspruchsvoll und bremsen den Leseeifer meiner Kinder nicht.  

„Den Ellenbogen noch ein bisschen weiter rauf… nicht so weit… Ja! Genau so. Und jetzt ein bisschen drehen… Okay… ja, so passts!“ Mein Sohn grinst mich zufrieden an, dann reißt er seinen Mund auf. Mit der rechten Hand drückt er mir ein aufgeschlagenes Comic gegen die Brust, mit der linken blättert er die Seiten um – und das alles während ich versuche, ihm die Zähne zu putzen. Meine Verrenkungen haben was von Schlangengymnastik, ich will ja jeden Zahn zu erwischen – und wehe ich schränke ihm dabei die Sicht auf seine Lektüre ein. Nur zum Ausspülen am Schluss legt er das Heft kurz zu Seite, um es nach dem Putzen sofort wieder zu schnappen und sich damit auf die Wohnzimmercouch oder ins Bett zu verkriechen.

Comics: Bei uns sind sie überall.

Donald Duck, Gustav Gans, Tim und Struppi und die Schlümpfe sitzen mit meinen Kindern am Esstisch, fahren mit ihnen im Auto, kuscheln sich mit ihnen abends ins Bett und begleiten sie aufs Klo. Das Beziehungsgeflecht in Entenhausen wird beim Abendessen besprochen, über die besten Szenen im Heft werden die Köpfe zusammengesteckt, Hefte wandern von einer Kinderhand in die nächste.

Sind Comics Minderwertig?

Kinder lieben Comics.

Das war schon immer so. Erwachsene finden das nicht immer so prickelnd. Soll mein Kind nicht was ‚Gescheites‘ lesen? Ein ‚echtes‘ Buch, also eines ohne Bilder – oder wenigstens mit weniger Bildern? So ähnlich waren auch meine Gedanken als unser Ältester – und nach ihm jedes einzelne seiner Geschwister - dem Comicfieber verfallen ist. Und dann hab‘ ich mich schlau gemacht. Darüber, wie ich mein Kind auch zum Lesen anderer Bücher bekomme. Und ob Comics tatsächlich minderwertiges Lesevergnügen sind. (Spoiler: sind sie ganz und gar nicht!). Das habe ich bei meinen Recherchen gelernt:

Genauso wie es gute und schlechte Bücher gibt, gibt‘s gute und schlechte Comics. Viele der Klassiker wie Asterix oder Donald Duck sind richtig gut gemacht: Hervorragend gezeichnet, mit witzigen Charakteren, spannenden Geschichten, tollen Settings. Nur weil sie leicht zu lesen sind und Kindern damit vergnügliche Stunden bereiten, bedeutet das nicht, dass sie von geringer Qualität sind. Im Gegenteil.

Comiclesen ist anspruchsvoll. Die bunten Bilder und Texte in den Sprechblasen im Kopf zu einer Geschichte zusammen zu bringen ist, ist gar nicht so einfach und bedarf einiges an Übung. Kenne ich: Ich bin keine comic-geübte Leserin und brauche ewig, um eine Comicseite zu verstehen. Ganz anders, meine Kinder.

Der Comicmarkt ist riesig und vielfältig. Da gibt’s die Dauerbrenner wie Tim und Struppi, Lucky Luke oder die Geschichten rund um Entenhausen (die sind alle generationenübergreifend und deshalb ein Hit in vielen Familien, weil schon Papa oder Mama als Kind in die bunten Welten eingetaucht sind). Gleichzeitig kommen neue Geschichten dazu. Originelle Kindercomics, Mangas, die traditionell in schwarz-weiß gehaltenen Comics aus Japan, oder Graphic Novels, die auch ernstere, komplexere Themen verarbeiten und als Zielgruppe Jugendliche und Erwachsene haben. Und natürlich die Comic-Romane wie Greg’s Tagebuch, in denen es auch längere Textpassagen gibt.

Comics bremsen nicht den Leseeifer. Es gibt keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass Comics Kinder davon abhalten, andere Bücher zu lesen. Wichtig ist, Kindern immer eine große Bandbreite an Literatur anzubieten und schmackhaft zu machen. Comics und andere Bücher können auf jeden Fall ganz friedlich coexistieren.

Das ist auch meine Erfahrung. In ein Comic vertieft waren meine Kinder schon mit drei Jahren – die Bilder sind auch für die Kleinen interessant. Jedes meiner lesefähigen Kinder hat den Sprung zum Buch geschafft. Jetzt liegen Donald Duck und ‚Der kleine Hobbit‘ nebeneinander beim Bett. Und vertragen sich gut.

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