Widerständigkeit bei Kindern - was ist das eigentlich?

Es war eine einfache Episode: Unsere Tochter, 11 Jahre alt, hat eine Entscheidung getroffen, die mir imponiert hat. Und die Fragen aufgeworfen hat.

Es war ihr erstes Jugendlager. Kurzfristig hatte sie sich entschieden mitzufahren. Alles schien in bester Ordnung zu sein, zumal eine gute Freundin, die sie aus der Nachmittagsbetreuung kannte und die auch mit ihr in die gleiche Klasse geht, sie dazu inspiriert hatte.

Eine volle Woche weg von den Eltern!

Das erschien ihr angesichts dieser Konstellation wohl wie ein traumhaftes Szenario. Dass es gelingen würde, eine volle Woche ohne gröberes Heimweh zu überstehen oder gar den Aufenthalt abbrechen zu müssen, schien ihr unzweifelhaft. Schließlich war ihre Freundin mit dabei, die sie unterstützen würde, mit der sie eine Einheit bildete gegen Konflikte oder Probleme, die dort dann unter Umständen doch auftauchen würden.

 

Doch dann...

Doch dann kam alles anders. Nach zwei Tagen war die besagte Freundin krank, hatte sich irgendeinen Darmvirus eingefangen. Sie wurde abgeholt und eine weitere Freundin schmiss in diesem Zuge ebenfalls das Handtuch.

Nun wäre es für unsere Tochter das Einfachsten gewesen, das ebenfalls zu tun. Sie entschied sich aber dazu, zu bleiben. Sie wollte, unter völlig anderen Umständen, dennoch vor Ort sein.

 

Widerständigkeit

Dass mir angesichts dieser Situation der Begriff Widerständigkeit in den Sinn kommt, liegt wahrlich auf der Hand. Denn was ist Widerständigkeit überhaupt? Meiner Ansicht nach die Fähigkeit, Gründe – in diesem Fall für das Bleiben – zu finden, die nicht im Außerhalb verankert sind.

Unsere Tochter musste also in sich einen Grund gefunden haben, dass sie trotzdem bleiben wollte.

Warum ist sie geblieben?

Welche Gründe sie dafür hatte, darüber können wir wohl nur mutmaßen. Wollte sie beweisen, dass sie durchhalten konnte? Ich glaube nicht, dass es das war. Sie fand etwas in sich, das ihr ermöglichte, durchzuhalten.

Nun wollen wir als Eltern natürlich nur allzu gerne daran glauben, dass das viel mit unserer Erziehung zu tun hat.

Schließlich haben wir ja versucht, und das hat wohl auch Früchte getragen, ihr beizubringen, nicht beim ersten Hindernis oder bei der ersten Schwierigkeit alles hinzuwerfen. Wir haben versucht ihr zu zeigen, dass sie auf ihre innere Stimme hören sollte, darauf, was sie will und diesen Willen nicht zu sehr von den äußeren Umständen beeinflussen oder gar konterkarieren zu lassen.

 

Aber vielleicht ist da noch mehr im Spiel?

Natürlich prägen wir unsere Kinder. Aber noch sicherer ist, dass es auch außerhalb dieser Prägung Aspekte gibt, die sich unserem Zugriff vollständig entziehen. Man kann es Vererbung nennen, Persönlichkeit, vielleicht auch den göttlichen Funken und das Wesen des Menschen, das genau so ist, wie es Gott gemeint hat.

Unter Umständen haben wir unserer Tochter als auch dieser Form der Widerständigkeit mitgegeben: Das Wissen nämlich, dass sie auch auf Gott vertrauen kann, der ihr Anker ist, der zugleich in ihr und außerhalb von ihr ist. Der sie umgibt und an den sie sich immer wenden kann.

Wir werden wohl nie ganz herausfinden, was zu dieser Wendung in der oben beschriebenen Situation geführt hat.

Vielleicht kommen wir den Gründen nicht mal nahe.

Denkbar zudem, dass die eigentliche Erklärung recht banal ist und sie vor Ort einfach eine Person gefunden hat, bei der sie sich genau so getragen und aufgehoben gefühlt hat wie bei der Freundin, die sie ursprünglich zu diesem kleinen Abenteuer außerhalb ihrer Familie bewegt hat.

Wir wollen aber daran glauben, dass hier etwas zusammengespielt hat, das einfach zusammengehört. Das wäre: Eine Erziehung mit den „richtigen“ Werten. Selbstachtung und die Fähigkeit, die eigene Wünsche und Fertigkeiten zu sehen und den eigenen Wert nicht von einem wie auch immer definierten Außerhalb abhängig zu machen.

Und unter Umständen haben wir ihr auch ein wenig Gottvertrauen mit auf den Weg gegeben, das sich darin äußert, dass sie weiß, dass sich doch noch alles fügt und dass sie nicht alles bis ins letzte Detail beeinflussen kann.

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