Wenn der Nachwuchs den Ton verfehlt

Wie verhalten wir uns, wenn wir von unserem Nachwuchs angeschnautzt werden? Einfach nur übergehen oder eine Standpauke halten? Es geht auch anders! Hier ein Fallbeispiel:

Es war einer der heißen Tage in diesem Frühsommer. Die Mutter war, wie meistens, unter Zeitdruck auf dem Heimweg vom Büro und saß in der stickig heißen U-Bahn, als ihr Handy läutete. Ihr Sohn Leo, 10 Jahre, war in der Leitung. Ungehalten und forsch schnaubte er ins Telefon: „Mama, wo bist du?! Wann kommst du endlich heim?! Ich will schwimmen gehen!“

Durchatmen und besonnen reagieren

Angesichts seines Tonfalls wollte sie gleich eine entsprechend entrüstete Standpauke halten. Doch sie atmete einmal tief durch und sagte so ruhig wie möglich: „Ich verstehe, dass du bei diesem Wetter schwimmen gehen möchtest. Ich bin auf dem Weg nach Hause und du weißt, dass wir anschließend gleich zum Fußballtraining fahren werden. Es wird also keine Zeit zum Schwimmen bleiben. Wir unterhalten uns weiter, sobald ich zu Hause bin!“

Situation erklären

Zuhause angekommen, begrüßte sie Leo kurz und erledigte dringende Tätigkeiten schnell. Danach sagte sie zu ihm: „Leo, ich möchte gerne über unser Telefonat von vorhin mit dir sprechen.“ Etwas verwundert setzte er sich zu ihr. Sie wiederholte: „Ich verstehe, dass du an einem so heißen Tag gerne schwimmen gehen möchtest.“ Er nickte. Dann fuhr sie fort: „Ich möchte aber auch, dass du folgendes verstehst: Ich hetze von der Arbeit nach Hause, um dir zeitgerecht dein geliebtes Fußballtraining zu ermöglichen. Ich teile mir den Nachmittag nach deinen Terminen ein – ich würde ja vielleicht auch lieber schwimmen gehen als dein Taxi zu spielen – und muss mir dafür am Telefon sehr unfreundliche Worte von dir anhören. Das finde ich äußerst unfair!“

Zunächst sah Leo seine Mutter verwundert an, erwiderte aber nach kurzer Pause: „Das versteh‘ ich.“ Sie fuhr fort: „Das freut mich. Für die Zukunft sollten wir es vielleicht so machen: an Trainingstagen, wo es aus Zeitgründen immer schwierig sein wird, auch noch schwimmen zu gehen, kannst du mich trotzdem gerne fragen, aber bitte in einem freundlichen Tonfall!“ Damit war ihr Sohn einverstanden und sie machten sich auf den Weg zum Training.

Keine Respektlosigkeit dulden

Diese Mutter weiß, dass sie sich von ihren Kindern nicht alles gefallen lassen darf. Doch reagiert sie mit Besonnenheit, anstatt  ihren Sohn impulsiv anzuschnauzen. Sie hat seine Grenzüberschreitung registriert und sich in der Zwischenzeit eine passende Reaktion überlegt. In einem ruhigen Vier-Augen-Gespräch konfrontiert sie ihn mit ihren Bedürfnissen und sagt ihm direkt ihre Meinung, ohne ihn jedoch zu beschuldigen oder zu beleidigen. Damit hat sie optimale Voraussetzungen geschaffen, und macht es ihrem Sohn leicht, Einsicht zu entwickeln und Respekt zu wahren.

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Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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