Schulschließung: Wie die Verantwortung jetzt auf die Eltern abgewälzt wird

Die Schulen sind an sich geschlossen. Dieses Mal ist es aber anders als im ersten Lockdown. Es gibt derzeit einen Wildwuchs an Betreuungsangeboten, die dieses Mal auf keinen Fall „Notbetreuung“ heißen dürfen. Was gut gemeint ist bringt Eltern in einen echten Gewissenskonflikt.

Plötzlich waren die Schulen wieder zu. Lockdown 2.0. Bis zu diesem Zeitpunkt nahm man an, dass man in den ersten Lockdown-Wochen von März bis Mai schon Expertise und Routine in Bezug auf das Homeschooling gesammelt hätte.

Weit gefehlt.

Sonderbetreuungszeiten fallen dieses Mal aus. Die Schule sind in einer seltsamen Art und Weise geschlossen und doch offen. Die politisch Verantwortlichen gingen a priori, verständlicherweise davon aus, dass dieses Mal mehr Eltern das Betreuungsangebot annehmen würden. Auch weiß man natürlich, was den Eltern im ersten Lockdown zugemutet wurde.

Dazu kommt, dass eine breite Front, etwa von Bildungsdirektoren und der politischen Opposition, sich im Vorfeld gegen die Schulschließungen ausgesprochen hatte. Das äußert sich dann in einem äußerst seltsamen Interview, in dem ein Bildungsdirektor die Eltern geradezu auffordert, die Kinder in die Schule zu bringen, weil dort auf pädagogischer Ebene weitergearbeitet werde.

Gut gemeint…

Ebenfalls gut gemeint. Ebenfalls nicht zuletzt mit einem guten Blick darauf, dass viele Eltern überlastet und überfordert von der sich anbahnenden neuerlichen Doppelbelastung sind. Aber gab es da nicht doch einen Virus, den es einzudämmen gilt und war nicht auch die Zeit auf knapp drei Wochen beschränkt, in der man gemeinsam alle Anstrengungen unternehmen sollte, um eine Infektions-Trendumkehr herbeizuführen.

Ist das Signal, das jetzt von vielen Seiten gesendet wird, das richtige?

Unserer Meinung nach eher nein. Bei allem Verständnis für das emotionale Wohlbefinden der Eltern verstehen wir nicht, warum man nicht noch einmal bei dem ausgerufenen „Kraftakt“ mitspielt, zumal er tatsächlich Entspannung bringen könnte was die unliebsame Corona-Situation angeht.

Die nicht-einheitliche Linie in den Schulen trägt jedenfalls dazu bei, diesen an sich ausgerufenen und unserer Meinung nach vernünftigen Kraft-Akt zu konterkarieren. Wenn die Schule vor Ort die bessere Betreuung anbietet und nach wie vor eine Art „Ersatzunterricht“ angeboten wird – wer lässt dann sein Kind aus welchen Gründen überhaupt noch zuhause? Man hört gar von Fällen, in denen Schulleiter die Eltern davon zu überzeugen versuchen, die Kinder in die Schule zu schicken.

Was dabei an sich positiv klingt und natürlich erstmal eine Entlastung für Eltern ist, ist unserer Ansicht nach ein Hickhack-Spiel mit Elternerwartungshaltungen und Kinderbedürfnissen. Eltern, noch mitgenommen vom ersten Lockdown, werden natürlich bei solchen Angeboten zugreifen. Weil sie jetzt auch mal ein wenig „an sich denken“ müssen. An die eigene Gesundheit. Und schließlich brauchen Kinder auch soziale Kontakte und ihre Freundinnen und Freunde.

Somit schaut es nach einer Win-Win-Situation aus. Eltern werden entlastet, Kinder nicht aus ihrer vertrauten Umgebung gerissen, Konflikte durch Überlastung im familiären Kontext minimiert.

Doch diese Situation macht die Situation überkomplex und nimmt die Eltern zu sehr in die Pflicht. Schickt man sein Kind trotz Virus-Bedrohung in die Schule? Was ist wichtiger: Soziale Kontakte, Freundschaften und das eigene Wohlbefinden oder doch die gesamtgesellschaftliche Gesundheit? Sollte es wirklich den Eltern obliegen, über diese Priorisierung zu entscheiden oder braucht es nicht doch absolute Klarheit?

Die so wichtige Klarheit

Unserer Ansicht nach wäre das unbedingt notwendig. Ziel sollte es sein, dass die Maßnahmen zielgenau wirken. Eltern, denen es tatsächlich nicht möglich ist, dass sie ihre Kinder zuhause betreuen, sollen weiterhin eine Art „Notbetreuung“ vorfinden. Ziel sollte es sein, dass die Schulen deutlich leerer werden, damit Covid-19 eingedämmt werden kann.

Eltern mit hochstehenden pädagogischen Konzepten davon überzeugen zu wollen, die Schüler doch in die Schule zum „Ersatzunterricht“ zu schicken ist absolut kontraproduktiv. Noch dazu, da man nicht wirklich weiß, ob all diese unterschiedlichsten Bemühungen tatsächlich standhalten oder ob von Regierungsseite nicht doch noch ein „Machtwort“ gesprochen wird, das auf Einheitlichkeit pocht und doch noch die eigentliche Intention, nämlich die deutliche Reduktion der Schülerzahlen, in den Vordergrund rückt.

Spätestens dann wäre nämlich den Kindern nichts Gutes getan: Dann würde ihn trotz realer Virus-Bedrohungslage eine Art von „Normalität“ vorgegaukelt, die ihn Wahrheit überaus brüchig ist. Ist es also nicht doch besser, bei allen Schwierigkeiten und Belastungen die diese Situation mit sich bringt, im Home-Schooling zu verharren, die gewonnenen Erfahrungswerte einfließen zu lassen und dann nach drei Woche wieder eine weniger prekäre „Normalität“ zu ermöglichen? Wir denken schon.

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