Richtig strafen, Teil 2: Wie straft man nun richtig und worauf sollte man besonders Acht geben?

Diese Frage beschäftigt alle Eltern. Unsere Autorin Magdalena Smrcka erklärt am Beispiel einer Kindergartengruppe im Gespräch mit Lisa Frischauf, Leiterin des Kindergartens „Hockeygasse 43, 1180 Wien“ der kindercompany, worauf Eltern besonders achten sollen und wie Situationen zum Wohle aller entschärft werden können.

Bewusstsein für die Regeln schaffen

Oft setzen wir etwas voraus, was unsere Kinder gar nicht wissen und verstehen oder handeln selbst widersprüchlich. „In der Krippe sind die Gruppenregeln – für die ein- bis dreijährigen Kinder - bildlich dargestellt und hängen auf Kinderhöhe, in allen Gruppenräumen. Bei den älteren Kindern sind diese auch noch aufgeschrieben. Ebenso besprechen wir sie regelmäßig in der Gruppe mit den Kindern.“, erklärt Lisa Frischauf, Standort-Leiterin eines Kindergartens der Kindercompany in Wien. „Wichtig dabei ist auch, dass beide Betreuer/Elternteile an einem Strang ziehen. Gemeinsam die Regeln festlegen und auch einfordern.“ Eine Voraussetzung für die Einhaltung von Regeln ist also die klare Kommunikation der Regeln.

Die Gruppe miteinbeziehen

„Sind mehrere Kinder betroffen, setzen wir uns im Anschluss an den Vorfall gemeinsam mit allen Kindern an den Tisch. Mit dem Hinweis „uns ist gerade aufgefallen, dass es noch Unklarheiten bei den Regeln gibt“, erklären wir diese noch einmal der ganzen Gruppe. So vermeiden wir, dass sich die „Straftäter“ ausgeschlossen fühlen oder mit dem Finger auf sie gezeigt wird. In der Familiengruppe, ab 3,5 Jahren ist dies schon möglich“, so Lisa Frischauf.

Die Ursache für das Verhalten suchen

Wenn Kinder Dinge tun, die sie nicht sollten, ist dies oft ein Hinweis darauf, dass sie sich gestresst oder überfordert fühlen. Hier die Ursache für das Fehlverhalten zu suchen ist um einiges sinnvoller als gleich zu strafen. Auch eigene Versäumnisse einzugestehen kann ein Ansatz sein. Sind die Kinder z.B. aufgrund von Müdigkeit total überdreht, reicht oft diese Erkenntnis, um solche Situationen in Zukunft vermeiden zu können. Tobt das Kind herum und beruhigt sich nicht, steckt vielleicht nur unerfüllter Bewegungsdrang dahinter.

„Verstößt ein Kind grob gegen die Regeln, holen wir es einmal aus der stressigen Situation heraus, indem wir uns gemeinsam mit ihm in ein ruhiges Eck setzen und uns mit ihm spielerisch beschäftigen, sodass es sich einmal beruhigen kann. Wenn Kinder Fehler machen, sind sie meist nur selbst emotional gestresst.“, so Lisa Frischauf.

Das Gespräch suchen

„Werden Regeln missachtet, suchen wir das Gespräch mit dem Kind“, erzählt Lisa Frischauf aus der Praxis. Es gibt immer wieder Situationen, in denen Abstand tatsächlich notwendig ist. Wenn z.B. im Kindergarten andere Kinder in der Gruppe - oder zu Hause Geschwister - vor Verletzungen geschützt werden müssen. „Da wir zu zweit in der Gruppe stehen, kann eine Elementarpädagogin mit dem Kind gemeinsam den Raum verlassen und in Ruhe mit diesem sprechen. Wir gehen auf das Kind und seine Gefühle ein und fragen es, was es glaubt, dass an seinem Verhalten nicht richtig war.“, so Lisa Frischauf. „Vielen Kindern ist noch gar nicht bewusst, was sie mit ihrem Verhalten anrichten. Wir erklären dem Kind die Regeln noch einmal, helfen ihm diese zu verstehen und neue, konstruktive Wege des Ausdrucks zu finden. Indem wir ihm Vorschläge machen, wie es sonst hätte reagieren können.“

Sofort und verständlich reagieren

Unsere Reaktion auf ein nicht erwünschtes Verhalten sollte unmittelbar erfolgen und nicht Stunden später. Auch werden Konsequenzen besser verstanden, wenn sie im Zusammenhang mit dem Regelverstoß stehen. Legt z.B. ihr Kind in den öffentlichen Verkehrsmitteln ein Verhalten an den Tag, das nicht mehr tragbar ist, wäre eine Möglichkeit, mit diesem auszusteigen und zu Fuß zu gehen. Vor Jahren machte ich dies einmal mit meinem Vierjährigen, als er herumschrie, sich an die Haltestangen klammerte und wild daran herumturnte. Es regnete und zufällig stiegen wir an einer Stelle aus, wo es ein langer Weg von 10 – 15 Minuten war, bis wir zu Hause ankamen. Seit diesem Tag benahm er sich im Bus und das einzige Mal, wo ich noch ein zweites Mal aussteigen musste, steckte lediglich das Bedürfnis nach mehr Bewegung dahinter und er war sogar glücklich darüber, gehen zu können.

Raum für Emotionen geben

„Wir hatten einmal ein Kind, das öfter andere Kinder gebissen hat. Dies führte verständlicherweise zu Unruhe in der Gruppe und unter den Eltern. Neben Elterngesprächen legten wir in dieser Zeit unseren Schwerpunkt darauf, die Kinder dabei zu unterstützen zu lernen, ihre Gefühle auszudrücken, ohne andere dabei zu verletzen. So bauten wir z.B. einen Türstock plus Tür an eine Mauer. Öffneten die Kinder die Tür, war dahinter nur die Mauer, aber symbolisch stand diese für einen geschützten Raum, in dem man seine Emotionen ausdrücken und auch einmal schreien durfte. Wir hatten Wutkissen, in die geschlagen werden durfte, Stressbälle aus mit Reis und Mehl gefüllten Luftballons, lasen Bücher zum Thema Emotionen, führten Gespräche mit den größeren Kindern und bastelten ein Gefühls-Memory mit unterschiedlichen Gesichtsausdrücken.“ So Lisa Frischauf aus der Praxis.

Eine Chance zur Wiedergutmachung geben

Unabhängig davon, ob es nur ein kleines Missgeschick gab, freche Worte fielen oder das Kind wirklich schlimm war, wir sollten Kindern immer die Möglichkeit geben es selbst wieder gut zu machen. „Schmeißt z.B. ein Kind seinen Teller hinunter, räumen wir gemeinsam mit dem Kind die Scherben weg, um ihm dann eine neue Schüssel zu geben.“, meint Lisa Frischauf, zur Herangehensweise auch die Kleinsten in die Wiedergutmachung miteinzubeziehen. So fühlen sich die Kinder ernst genommen und lernen in kleinen Schritten selbst Verantwortung zu übernehmen.

Zwei Kinder sitzen auf der Couch und versöhnen sich

Was tun, wenn es uns Erwachsenen zu viel wird?

Wenn wir Kinder strafen, sind wir oft auch nur selbst mit der Situation überfordert. Spüren wir bereits die Wut in uns und wissen, „noch eine Minute und ich drehe durch“ sollten wir gut auf uns selbst schauen. Als unser Sohn noch klein war, hatten mein Mann und ich eine Abmachung. Wir wussten, bestimmte Sager und Verhaltensweisen unseres Sohnes bringen den anderen besonders auf die Palme. Wenn ich also beobachtete, dass mein Mann und unser Sohn kurz davor waren aufeinander zu stürzen, übernahm ich die Betreuung und mein Mann konnte sich abkühlen. Dies beruhte auf Gegenseitigkeit.

Auf sich schauen

Wird es Müttern einmal zu viel - und sie sind allein zu Hause - ist es völlig O.K. auch einmal ruhig aus dem Raum zu gehen, in der Küche ein Glas Wasser zu trinken und durchzuatmen. Wichtig ist dabei das Kind nicht einfach stehen zu lassen, sondern mit ihm zu reden, es zu informieren. Z.B. mit der Botschaft „Ich brauche kurz Zeit für mich und bin gleich wieder da.“ Dabei drücken wir unsere eigenes Bedürfnis aus, anstatt unsere Kinder anzuschreien. Stürmen wir dagegen nach einem Streit einfach ohne Info aus dem Raum, kann dies zu Verlustängsten führen. „Das wichtigste ist immer mit den Kindern zu reden. Kinder verstehen mehr, als wir glauben, auch wenn sie sich selbst noch nicht so gut ausdrücken können“, so Lisa Frischauf. Bei Kleinkindern sollte jedoch auch diese Auszeit nicht länger als ein paar Minuten dauern.


Das Interview wurde geführt mit Lisa-Marie Frischauf, Leiterin des Kindergarten Standortes „Hockeygasse 43, in 1180 Wien, der kindercompany. www.kindercompany.at Mein Mann und ich danken Lisa Frischauf herzlich für ihre pädagogische Weitsicht und die wundervollen Jahre die unser Sohn in ihrem Kindergarten hatte!

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Portraitfoto Regina Madgalena Smrcka

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