Religiöse Erziehung nach Maria Montessori Teil 1

Maria Montessori und ihre Pädagogik sind bei Eltern und Erziehern sehr beliebt. Was viele nicht wissen: Die Italienerin hat auch einiges über die religiöse Erziehung von Kindern gesagt.

Montessori-Pädagogik ist „in“. Auch ich bin seit vielen Jahren begeistert von den Ansätzen der italienischen Ärztin und versuche das eine oder andere in unseren Familienalltag zu integrieren. Dass Maria Montessori eine tiefgläubige Frau war und auch einiges zur religiösen Erziehung von Kindern gesagt und geschrieben hat, ist nicht so bekannt und habe ich selber lange nicht gewusst.

Maria Montessori war überzeugte Katholikin

Weil es ihr aber ein Anliegen war, dass ihre pädagogischen Ideen sich unabhängig von Weltanschauung und Religion verbreiten, hing sie ihren persönlichen Glauben nicht an die große Glocke. Das, was sie über Religion und religiöse Erziehung geschrieben hat, findet sich weniger in ihren Grundlagenwerken als in gesonderten Schriften und Vorträgen.

Ich finde den Ansatz Montessoris – was die religiöse Erziehung von Kindern betrifft – sehr ansprechend. Sicher, der historische, gesellschaftliche und religiöse Kontext, in dem Montessori lebte, unterscheidet sich von dem, in dem wir heute leben. Aber so manche Ideen lassen sich gut auch heute noch umsetzen, so manche innere Haltungen können Eltern, denen die Weitergabe des Glaubens an ihre Kinder ein Anliegen ist, weiterhelfen. So wie diese Gedanken hier:

Kinder haben eine Offenheit für Gott

Religion gehört zum Menschsein dazu, meint Montessori. Alle Menschen haben so etwas wie ein ‚Grundbedürfnis‘ nach Religion. Diese Tatsache beeinflusst die Haltung von uns Erwachsenen den Kindern gegenüber: Nicht wir sind es, die den Kindern all das, was mit Glauben und Religion zu tun hat, erst einmal vermitteln müssen. Nein, die Kinder bringen von Anfang an eine innere Sehnsucht, Interesse und Offenheit mit. Mehr noch:

Montessori ist davon überzeugt, dass es zwischen Gott und dem Kind eine tiefe innere Verbindung gibt, unabhängig davon, ob ein Kind religiös erzogen wird oder nicht.

Sie hat erlebt, dass auch Kinder, in deren Familien religiöse Erziehung kaum eine Rolle spielt, ihre Eltern mit Fragen zum Thema herausfordern, daheim ein Abendgebet durchsetzen oder von sich aus den Wunsch äußern, getauft zu werden oder an der Erstkommunion teilzunehmen.

Von Kindern lernen

Unsere Aufgabe als Erwachsene ist es, die Fragen unserer Kinder aufzugreifen, ohne zu belehren. Sensibel für ihre Äußerungen zu sein und nicht sofort unseren Senf dazu zu geben. Für mich bedeutet das: Auch wenn ich mehr ‚weiß‘ als meine Kinder, was den Glauben angeht, auf Herzensebene sind wir absolut gleichwürdig. Auch ich kann von ihnen lernen: von ihrem kindlichen Vertrauen Gott gegenüber. Von ihren einfachen Worten im Gebet. Von ihrem Staunen und ihrer Offenheit in der Natur, aber auch bei religiösen Ritualen, beim Feiern von Festen oder in der Kirche. Schließlich sagt Jesus selbst, dass wir werden sollen wie die Kinder…! Montessori nennt Kinder Apostel, die Erwachsenen (unbewusst) den Glauben verkünden.

Entwicklung des ‚religiösen Gefühls‘

Wer Montessori-Pädagogik kennt, kennt vermutlich auch den Begriff der ‚sensiblen Phasen‘. Sensible Phasen – das sind die natürlichen Zeitfenster, die sich in der Entwicklung eines Kindes auftun und in denen es besonders offen für das Lernen ganz bestimmter Fähigkeiten ist. Lässt man so ein Zeitfenster ungenutzt verstreichen, ist das Nachlernen mit unglaublich hohem Lernaufwand verbunden. (Man denke nur daran, wie einfach es für Kinder ist, eine (Fremd-)Sprache zu lernen und wie schwierig das dann im Erwachsenenalter wird.) Auch in der religiösen Erziehung gibt es solche sensiblen Phasen.

Zwischen null und drei Jahren zeichnet sich das Kind durch seinen absorbierenden Charakter aus. Es nimmt alles wie ein Schwamm aus der Umgebung auf – auch das, was es an religiösen Ritualen, Gerüchen, Gegenständen usw. umgibt.

Das, was es erlebt, prägt sich tief in die Seele des Kindes ein: das abendliche Gebet mit den Eltern, der Weihrauch-Geruch in der Kirche, Kerzenschein, das Kreuz im Wohnzimmer, Eltern, die beten, Lieder, die im Gottesdienst gesungen werden. Unbewusst taucht das Kind in die Atmosphäre ein, die es umgibt, und es entwickelt sich das ‚religiöse Gefühl‘, das sich im Laufe des Lebens weiter entwickeln kann.

 Schutz und Geborgenheit

Außerdem wichtig im Kleinkindalter: das Vermitteln von Schutz und Geborgenheit. Das Kind erlebt, dass es bei seinen Eltern beschützt und geborgen ist. Diese Erfahrung hilft ihm zu verstehen, dass auch Gott da ist, es liebt und beschützt. Es geht in den ersten Lebensjahren also weniger darum, das Kind anzuregen, Gutes zu tun (zu teilen, nicht zu streiten, usw.), wie ich das in Kindergottesdiensten oft erlebe. Die Moral, sagt Montessori, kommt erst später. Das Fundament all dessen ist die Sicherheit in Gott.

Montessori warnt davor, mit dem Kind verniedlichend über Glaubensdinge zu sprechen. Auch die großen Dinge des Glaubens können schon von ganz kleinen Kindern verstanden werden –  vieles nehmen sie unbewusst auf und können es erfassen – wenn nicht mit dem Verstand, dann mit dem Herzen. Wer und wie Gott ist, wie sehr er uns liebt: Das können Kinder – ohne große theologische Erklärungen – atmosphärisch verinnerlichen.

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