Perfektionismus und Muttersein: Passt das zusammen?

Statt anzustreben, eine „perfekte Mama“ zu sein, will ich der Perfektionismusfalle entkommen und anderen Einblick in mein Chaos gewähren. Das ist ermutigend und inspirierend!

„Gott sei Dank! Es geht nicht nur mir so!“ Wie oft habe ich mir das in den vergangenen Jahren als Mutter erleichtert gedacht und diesen Satz in so manchen Gesprächen mit anderen Eltern ausgesprochen. Auch wenn ich mittlerweile weiß, dass in den meisten (in allen?) Familien nicht alles glatt läuft, tappe ich immer wieder in dieselbe Falle. Ich denke: Bei den anderen sieht alles so einfach so. So bilderbuchmäßig. So perfekt. Und nur ich kämpfe mich mühsam durch den Alltag. Versage dabei, meinem acht Monate alten Sohn einen guten Schlafrhythmus beizubringen. Schaffe es schon seit über einer Woche nicht, das verdreckte Waschbecken im Bad zu putzen. Tische meinen Kindern schon wieder Nudeln mit Tomatensauce auf. Verliere die Nerven, wenn sich die Zweijährige im Schneckentempo die Schuhbänder selber binden will.

Es läuft oft nicht, wie ich möchte

Oft genug bin ich frustriert, weil so viele Dinge nicht so laufen, wie ich das gerne hätte. Und dann blicke ich schon einmal neidvoll auf die anderen, die anscheinend nicht mit diesen Problemen zu kämpfen haben.

Und ich gebe zu, dass ich auch vermitteln will, wie super ich mein Leben im Griff habe.

Es fällt mir zwar nicht schwer, auch die anstrengenden Seiten des Elternseins mit anderen zu besprechen und allgemein über die Widrigkeiten des Alltags zu reden. Aber anderen WIRKLICH Einblick in mein zeitweises Chaos und meine phasenweise Überforderung zu gewähren, ist für mich nicht so einfach. Meine echten Schwachpunkte verstecke ich gerne und bin darauf bedacht, den Schein zu wahren.

Umso großartiger ist es, wenn es diese wertvollen Momente gibt, in denen sich zwei (oder drei oder vier…) offen und ehrlich in die Karten schauen lassen und damit wirklich ihr Leben miteinander teilen.

Bewusst gegen die Perfektionismusfalle ansteuern

Erstens, weil ich nie und nimmer perfekt sein kann. Und weil es furchtbar anstrengend ist, den Schein der Perfektion zu wahren. Manchmal hilft mir diese kleine „Übung“ dabei, nicht in die Perfektionismusfalle zu tappen:

Ich räume bewusst nicht auf, wenn ich einen Gast erwarte.

Ich hirsche also nicht, bevor der Besuch kommt, atemlos durch die Wohnung, um Bücher, Duplosteine, verstreute Spielkarten vom Wohnzimmerboden zu beseitigen, die Brösel unter dem Esstisch aufzukehren und den Geschirrberg in den Geschirrspüler zu räumen. Nicht weil mir der Gast egal ist, sondern weil ich mich bewusst dazu entscheide, ihn in mein Leben, so wie es wirklich ist, herein zu lassen. (Um nicht falsch verstanden zu werden: Natürlich ist es auch ein Zeichen von Liebe und Wertschätzung, für Gäste aufzuräumen und sie an einem schön gedeckten Tisch zu empfangen!)

Und zweitens: Scheinbar perfekte Menschen wirken auf mich entmutigend! Die stets perfekt geschminkte Mama, deren Wohnung immer blitzsauber ist und die ihr Outfit täglich mit dem ihres Kindes abstimmt, frustriert mich und ich denke: „Na super, und ich bin schon froh, wenn ich keine allzu großen Sabberflecken auf meinem ausgewaschenen T-Shirt habe!“

Ermutigt und inspiriert werde ich durch Menschen, die so wie ich die Kämpfe des Alltags kämpfen.

Mit ihnen kann ich mich identifizieren. Genauso ermutigend und inspirierend will auch ich für andere sein. Perfektion braucht es dazu nicht, Authentizität schon.

 

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