Mentalisieren – das eigene Verhalten und das der anderen verstehen

Die Fähigkeit zu mentalisieren ist kein rein körperlicher Reifungsprozess wie zum Beispiel der Zahnwechsel oder das Größenwachstum, sondern entsteht durch viele, viele soziale Interaktionen. Doch woran erkenne ich Mentalisierungsfähigkeit bei meinem Kind?

Kann mein Kind mentalisieren?

Eine recht bekannte Forschungsanordnung, die False-Belief-Aufgabe, mit deren Hilfe der Entwicklungsstand der Theory of Mind eines Kindes untersucht werden kann, stammt bereits aus dem Jahre 1983 und ist recht einfach nachzumachen:

Kindern wird eine Smarties-Dose gezeigt und sie werden gefragt welchen Inhalt sie darin vermuten. Alle Kinder denken, dass Smarties in der Dose sind. Statt der Smarties entdecken sie dann aber Buntstifte. Auf die Frage, was sie denken, dass Andere in der Dose vermuten werden, antworten Kinder, die noch keine Mentalisierungsfähigkeit entwickelt haben „Buntstifte“. Ihr Wissen – nämlich, dass Stifte in der Dose sind – ist nun Realität und sie verfügen noch nicht über die Vorstellungskraft, dass diese Realität sich noch nicht jedem erschlossen hat. Sie können sich zudem noch nicht vorstellen, dass es falsche Überzeugungen gibt. Auf die Frage, was sie vorher geglaubt haben, was in der Dose wäre, kommt auch prompt die Antwort: „Stifte“.

Erst wenn wir erkennen, dass unser Wissen (Stifte statt Schokolade in der Dose) nicht unverrückbare Realität und damit auch das Wissen der anderen ist, deren und unsere Vorstellungen auch falsch sein können, erst wenn die eigene Meinung als unabhängig von der eines anderen bestehen kann, ist davon auszugehen, dass Mentalisieren möglich ist.

Die Rolle der Eltern

Eltern spielen naturgemäß eine wichtige Rolle. Forschungen im Bereich des Mentalisierungskonzeptes zeigen, dass sich diese Fähigkeit nicht automatisch entwickelt, wie sich zum Beispiel die Nervenbahnen ab einem gewissen Alter vernetzen, um ein bewusstes Harnlassen zu ermöglichen, sondern dass es sich hier um eine Fähigkeit handelt, die über soziale Interaktionen erworben werden muss. Auch die empirische Säuglings- und Kleinkindforschung verweist auf einen starken Zusammenhang von gut ausgeprägter Mentalisierungsfähigkeit und sicherer Bindung.

Eltern können ihre Kinder unterstützen, indem sie die Gefühle des Kindes spiegeln. Bei Babys und sehr kleinen Kinder geschieht dies über die Affektspiegelung wie im Beitrag „Spiegel der Gefühle“ beschrieben. Bei älteren Kindern nimmt dann das Affekte spiegeln im Spiel immer mehr Raum ein. Mehr dazu und warum im Spiel alles erlaubt sein sollte, im nächsten Beitrag – sei dabei!

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Ein Artikel von

Portraitfoto Iris Van den Hoeven

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