"Mami, lass mich nicht alleine!" - Mit Kindern im Krankenhaus

Kinder zu Operationen zu begleiten, gehört zu den großen Hürden des Elterndaseins. Bei geplanten Eingriffen lässt sich jedoch einiges vorbereiten, um die herausfordernden Tage gestärkt zu meistern.

 

Aber sie ist doch so klein!

Nachdem unsere Tochter aufgrund starker Wasseransammlungen hinter beiden Trommelfellen nie über eine 50 prozentige Hörleistung gekommen ist, wurde uns schon als sie 1,5 Jahre war, zu einem operativen Eingriff geraten. Nachdem wir vieles probiert haben und Meinungen von mehreren ÄrztInnen eingeholt haben, stand der Entschluss kurz vor ihrem 3.Geburtstag fest, sie operieren zu lassen. Wie sich erst bei der Operation herausstellte, hätte keine andere Methode zum Erfolg geführt, denn ihre Mandeln waren nach hinten gewachsen, hatten gegen die Polypen gedrückt und schon so eine Belüftung der Ohren unmöglich gemacht.

Letztendlich ist es ja immer das, was wir als Eltern suchen: eine Bestätigung dafür, dass wir für unsere Kinder die richtige Entscheidung getroffen haben.

Denn ist das nicht mitunter eine der großen Schwierigkeiten von Eltern: den Kindern einerseits maximale Selbstbestimmung mitzugeben und andererseits von Anfang an Entscheidungen für sie zu treffen?

 

Die Wochen vor der Operation

Immer, wenn die Ohren mal wieder aufgrund der Ergüsse gejuckt oder geschmerzt haben, haben wir in den Wochen vor der Operation immer wieder gesagt: „Bald sind wir im Krankenhaus, wo sie das Wasser rausholen und dann wird alles gut werden.“

Bücher wie „Was passiert im Krankenhaus?“ haben wir oft gelesen und auch der Spiel-Arztkoffer war die Zeit vor dem Krankenhausbesuch sehr präsent. Alle Stofftiere und Puppen wurden untersucht.

Besonders auf die Spritze versuchten wir unsere Tochter dadurch vorzubereiten.

 

Der Operationstag

Irgendwann steht dann der große Tag vor der Tür, den es gilt hinter sich zu bringen. Es sind für alle Beteiligten anstrengende Stunden, aber es gibt einige Hilfsmittel, die sich zur Unterstützung heranziehen lassen.

 

Unsere Tochter wurde um 10.30h operiert, weshalb wir um 7 Uhr nüchtern im Krankenhaus einchecken mussten. Sie gehört zur Kategorie absoluter Morgenmuffel bis der Blutzucker steigt und so bedurfte es sehr guter Ablenkung, um die Zeit bis zur Operation zu überbrücken. Am besten eignen sich hierfür einfache Spielaktionen, die im Bett möglich sind und Eigeninitiative brauchen. Ein neues Stickerheft lenkt wunderbar ab, auch Magnetspiele bzw. eine Magnetmaltafel, ein Magic Board, Bandolinos lassen die Zeit verstreichen. Ein paar Bücher für zwischendurch dürfen natürlich auch nicht fehlen und sollte es nicht so wie in unserem Krankenhaus einen Fernseher mit Kinderkanal geben, empfiehlt es sich auch ein Tablet mitzunehmen, wenn alles andere nicht mehr hilft.

 

So gemütlich wie nur möglich

Natürlich können wir das Krankenhauszimmer nicht gegen das eigene ersetzen, aber es gibt ein paar Möglichkeiten, mit einfachen Mitteln eine heimelige Stimmung aufkommen zu lassen. Die Lieblingsdecke, der eigene Schlafpolster und das Kuscheltier waren bei unserer Tochter bis zum OP-Saal und dann auch wieder im Aufwachraum dabei.

Mit den eigenen Sachen liegt man nicht nur am besten, es duftet auch nach Zuhause und vermittelt ein Wohlgefühl. 

Je nachdem, in welchem Bereich operiert wird, sollte man nur im Blick haben, dass der Bezug des Polsters auch Blutflecken bekommen kann.

 Ist man in einem Einbettzimmer untergebracht, kann man auch einen kleinen Diffuser aufstellen und zur Beruhigung und Bekräftigung vor und nach der Operation Aromaöle wie z.B. Lavendel, Rose oder römische Kamille verwenden. Kinder mögen auch Mandarine sehr gerne, was sich auch zur Stärkung nach der Narkose eignet. In einem Mehrbettzimmer einfach ein Mulltuch damit beträufeln und zum Kopfpolster des Kindes legen. Außerdem gibt es auch alles einzeln als Duft-Roll-Ons, sowie Mischungen wie „Drachen-Mut“ extra für Kinder.


Auch wenn es in Krankenhäusern verschiedene Lichtoptionen gibt, sind allesamt besonders in der Nacht sehr grell. Gerade wenn in der Nacht Infusionen notwendig sind, aber auch für eine gemütliche Stimmung am Abend, sind ein Nachtlicht und/oder eine kleine Lichterkette bei jedem Krankenhausbesuch essentiell.

 

Gut zureden

Unsere Tochter hat sich den Infusionszugang, noch während er gelegt wurde, heraus gerissen und musste gleich mehrmals sediert werden, um alle notwendigen Eingriffe über sich ergehen zu lassen. Wie gerne würde man als Elternteil dem Kind all diese Schritte ersparen und gerade wenn die kleine Tochter ängstlich ruft: „Mami, hilf mir!“ alles abbrechen und sicher in die Arme nehmen. Hier hilft es wohl am besten, dem Kind und sich selbst mit beruhigenden Worten zuzureden: „Ich bin bei dir.“, „Die Ärztin hilft dir, dass alles gut wird.“… Jetzt gibt es kein Zurück mehr und es gilt einen ruhigen Atem zu bewahren.
 

Türe zu und durch

Bei unserer Tochter klang die Sedierung genau in der Schleuse vor dem OP-Saal ab, als ich sie in die Arme des fremden Pflegepersonals gab und aufgefordert wurde, auf den Wartesesseln vor dem OP-Bereich Platz zu nehmen. Ihr Schrei: „Mami, bleib bei mir!“ sitzt mir noch immer in Mark und Bein.

Komplett orientierungslos habe ich mich auf die Treppe direkt vor der Tür, die mich von meiner Tochter trennte, gesetzt und bin schluchzend in Tränen ausgebrochen. Ich hatte das Glück, von einer Krankenschwester, die gerade am Weg in die Pause war, emotional aufgefangen worden zu sein. Sie hat mich in die Arme genommen und gut zugesprochen: „Man weiß eh, dass alles gut wird und dennoch fällt es so schwer. Trinken Sie und essen Sie was, sammeln Sie Kräfte, die Sie nachher brauchen werden.“


Wie Recht sie hatte! Natürlich hatte ich um 6h in der Früh am Weg ins Krankenhaus und die ganze Zeit danach neben meiner Tochter, die nichts zu sich nehmen durfte, selbst auch nichts gegessen und brauchte schwanger schon längst etwas, um für uns drei stark sein zu können.

 

Der Aufwachraum

Da kam sie endlich aus dem OP-Raum gefahren, mit ihrem Kuscheltier im Arm und der Beatmungsmaske im Gesicht. Das Lächeln der operierenden Ärztin, die sie in den Aufwachraum schob, bedeutete mir viel und ihre erste Rückmeldung: „Es ist alles gut gegangen“ noch mehr. Die Anästhesistin entschuldigte sich bei mir, dass die Übernahme in der Schleuse so tränenreich war. Sie konnte da gar nichts dafür, aber ihre Worte haben mir dennoch geholfen: „So soll es nicht sein und das wird bei Ihnen als Mutter wohl immer eine Wunde hinterlassen, aber ich kann Ihnen versichern, dass sich Ihre Tochter nicht daran erinnern wird. Das ist aufgrund ihres Alters und aus pharmakologischen Gründen nicht möglich.“


Mittlerweile war ich auch wieder gefasster. Auch wenn es nicht schön war, heulend vor den Türen des OP-Raumes zu sitzen, tat es gut, den Emotionen freien Lauf zu lassen.

 

Ganz viel Ruhe

In der Zeit nach der Operation stehen die Bedürfnisse des Kindes an erster Stelle. Wir verabschieden uns hier von allen sonst üblichen Regeln bezüglich Medienzeit und nützen es genauso wie Bücher als gute Ablenkung von den Schmerzen. Auch hier sind die vorhin genannten Aromaöle stärkende Begleiter und neben dem Essensangebot des Krankenhauses liegen in der Krankenhaustasche auch alle feinen Dinge bereit, die unserem Kind schmecken.


Es ist eine Zeit, die von uns Eltern die volle Aufmerksamkeit abverlangt und kräftezehrend ist.

Es ist aber auch eine Zeit, in der ich alles rundherum vergesse, und nur bei unserem Kind bin – es fest halte, überglücklich für alles bin, was viel zu oft selbstverständlich ist, und in der ich merke, was Liebe alles schafft.

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Weitere Artikel des Autors lesen