„Haben Sie einen Teenager zuhause?“

„Ich glaube schon, dass es einer ist“, sage ich und zögere kurz. „Haben Sie oder nicht?“ fragt der junge Mann, der auf der Straße eine Umfrage zum Thema Jugendkultur (oder so was) mit mir machen will. „Naja, vom Alter her …“, sage ich, „… ist man mit 11 heute schon Teenager?“ Er grinst. „Na erzählen sie mal!“

Wo fang ich an?

  • Also die Frisur ist definitiv wichtiger als … als überhaupt alles.
  • Ich würge mich täglich durch Wolken schlimmster Parfummischungen. (Mischungen aus meinen Parfums!)
  • Ich habe deutlicher zu artikulieren gelernt, weil mein jüngeres Ich aufgrund der iphone-Ohrstöpsel nur mehr durch Lippenlesen mitbekommt, was ich grad von ihm will.
  • Und trotzdem muss ich noch jede Frage zweimal wiederholen, bevor ich die immer gleiche Antwort bekomme: Weiß ich nicht.
  • Manchmal glaube ich, allein zuhause zu sein, bin es aber gar nicht. Denn wenn das Handy läutet, wird so plötzlich eine Tür aufgerissen, dass ich fast zu Tode erschrecke.
  • Aber bei simplen Anweisungen wie „Geh an die Haustür!“, „Zieh dich um!“ oder „Du bist dran mit dem Hund gassizugehen!“ kommt keine Reaktion.

 

„Volltreffer!“, lacht der junge Mann von der Straßenumfrage, „Sie haben einen weiblichen Teenager zuhause.“ Ich nicke und schlucke. Das klingt, als hätte ich mir eine Krankheit eingefangen.

„Wie ist denn ihr Draht zur lieben Tochter?“ fragt er weiter. „Kabellos“, sage ich. „Wir kommunizieren über whatsapp.“ „Und die Schule?“ fragt er. „Was meinen Sie? Sie geht hin.“ „Sicher?“ „Also bitte! Sie ist 11!“ entgegne ich entsetzt. „Sie geht brav zur Schule, nur … nur heimkommen tut sie nie laut Stundenplan“, ergänze ich etwas kleinlaut.

Denn so klar wie das Mittagessen das neue Frühstück für sie geworden ist, so klar hat irgendeine ihrer Freundinnen nach Schulschluss noch was Tolles vor, wo meine Tochter natürlich nicht fehlen darf.

Ich sag’s mal so: „Sollte mich meine Teenagerin nach Schulschluss einmal anrufen und nicht fragen, ob’s okay ist, dass sie noch mit XY zum Reiten mitdarf oder mit YY in den Eissalon, ruf ich sofort beim Vatikan an und melde ein Wunder.“

„So, so“, sagt der Mann von der Umfrage und macht sich zu meinem Entsetzen Notizen. Habe ich mit dem Vatikan übertrieben? „Das war ein Scherz“, sage ich schnell, „natürlich störe ich den Heiligen Vater nicht mit meinen weltlichen Problemen.“ Doch der junge Mann hört gar nicht zu. Das bin ich ja gewohnt.

Stattdessen fährt er mit seinem Fragenkatalog fort, will wissen, wie es um die Essgewohnheiten meiner großen Kleinen bestellt ist, welchen weiblichen Promis sie nacheifert, ob sie überhaupt noch isst!!!

„Also na klar isst sie noch!“ fahr ich ihn an. Sie ist weder magersuchtgefährdet noch bemüht sie sich, sich das XXL-Hinterteil von Kim Kardashian anzutrainieren. Zum Glück! „Ich weiß, dass meine Tochter isst“, sage ich. „Das sagt mir nämlich der Anblick unserer Küche, nachdem sie dort vorbeigeschaut hat. Wenn sie sich ein Brot geschmiert hat, zeigt mir die Küche genau, was sie dazu alles benutzt hat.“

Der junge Mann lacht, nickt wissend und tippt wieder Fakten aus unserem Gespräch in sein Tablet. Ich will ihm nicht zeigen, dass mich das richtig nervös macht. Ich will jetzt nicht mehr mit ihm sprechen. Das geht ihn alles gar nichts an. Meine Tochter, mein Teenager, meine Sache.

Um dem Ganzen ein Ende zu machen, sage ich selbstbewusst: „Aber das ist alles nur eine Phase! Das wissen wir ja alle. Und ich steh diese Zeit mit meiner Tochter gemeinsam durch, jawohl. Und nach der Teenagerei wird aus ihr dann eine starke, selbstbewusste Frau und alles, was mir jetzt unerträglich scheint, hab ich schon bald wieder vergessen. Das ist fix. Das können Sie sich notieren. Mütter halten jede Menge aus.“

Da blickt er auf, lächelt und fragt: „Haben Sie noch weitere Kinder?“ - Mist! - 1:0 für ihn

Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Weitere Artikel des Autors lesen