Grenzen zeigen uns den Weg?

Wenn wir uns die Frage nach den Grenzen, die wir unseren Kindern setzen sollen/müssen/dürfen stellen, fassen wir ein heißes Eisen an. Zwischen „Unerzogen“, einem Trend der bewussten Nicht-Erziehung und einem streng autoritären Erziehungsstil, der vor narzisstischen Tyrannenkinder warnt, ist viel Platz. Wie können Eltern sich da orientieren, wie ihren eigenen Weg finden?

Wenn es ums Grenzen setzen geht, dann geht es in Wahrheit um viel mehr als nur um „Welche Regeln stelle ich auf?“ und „Was tue ich, wenn das Kind sich nicht an die Regeln hält?“

Freiheit und Verantwortung

Es geht um die Frage nach Freiheit und Verantwortung. Wie viel Freiheit kann ich meinem Kind geben, damit es genug Raum findet, um sich gut entwickeln zu können? Dabei ist mit „gut entwickeln“ nicht gemeint, das Kind zu einer passgenauen Kopie meiner Idealvorstellung von ihm zurecht zu biegen, sondern dem kleinen Menschlein zu ermöglichen, die schönste Version seiner selbst, die von Beginn an in ihm schlummert, zu verwirklichen.

„Der Mensch muss zwar werden, aber das was er ist.“

Vom österreichischen Psychologen und Psychoanalytiker Igor Caruso stammt mein Lieblingszitat, er meinte „Der Mensch muss zwar werden, aber das was er ist.“ (I. Caruso) Damit spricht er das Ideal eines Erziehungszieles an: „Entfaltung“ „ein authentisches ganz bei sich Sein“ statt ErZIEHung im Sinne eines Ziehens und Zerrens in eine, von Erwachsenen bestimmte, Richtung. Wer diesen Weg für sein Elternsein wählt, wird sich ganz bewusst mit der Balance von „Wo kann und darf ich meinem Kind Freiheit für eigene Ausgestaltung geben?“ und „Wo muss ich als Mama oder Papa die Verantwortung übernehmen und auch tragen, weil ich mein Kind sonst schlichtweg überfordere?“ auseinandersetzen.

Kindern im Erziehungsalltag „Wurzeln und Flügeln“ geben

Johann Wolfgang von Goethes viel zitierter Ausspruch der Wurzeln und Flügeln, die für die kindliche Entwicklung wichtig sind, beschreibt exakt diesen pädagogischen Balanceakt, der Eltern lebenslang begleitet. Denn auch wenn aus unseren Allerkleinsten in einigen Jahren Erwachsene werden, Eltern bleiben wir ein Leben lang und auch den großen Kindern tut es gut zu wissen, dass sie bei Bedarf in den elterlichen Hafen einschippern können, um Kraft zu tanken, bevor erneut die Segel gehisst werden.

Grenzen sollten zwar Struktur geben, aber keine starren Konstrukte sein.

Die Frage nach der praktischen Ausgestaltung von Freiheit und Verantwortung hängt von vielen verschiedenen Aspekten ab: Vom Lebensumfeld des Kindes – sprich den individuellen, familiären aber auch gesellschaftlichen Werten, aber auch vom Temperament des Kindes selbst und natürlich seiner gegenwärtigen Lebensphase. Grenzen sollten zwar Struktur geben und nicht heute gelten und morgen nicht, zugleich sind sie nicht starre Konstrukte, sondern sie wachsen im besten Falle mit unseren Kindern mit. Und manche Grenzen bleiben auch bestehen und das sind die wichtigsten, nämlich die Grenzen der Eltern um mich bei Jesper Juul anzulehnen. Mehr zu diesem spannenden Thema im nächsten Beitrag. Sei dabei!


Ähnliche Artikel

Ein Artikel von

Portraitfoto Iris Van den Hoeven

Weitere Artikel des Autors lesen