Frustrationstoleranz stärken: 5 Tipps wie dein Kind lernt, mit Frust umzugehen

Sei es ein „Nein“ der Eltern, ein Verlieren beim geliebten Brettspiel oder beim Sport, oder die Tatsache, dass manchmal etwas einfach nicht so funktioniert, wie wir es uns vorgestellt haben. All das gut auszuhalten, ist für Kinder eine echte Herausforderung.

Denn dazu gehört unter anderem die eigenen Emotionen regulieren zu können, Handlungs- und Impulskontrolle, Einfühlungsvermögen in Andere und eine gewisse Flexibilität im Denken: all diese Dinge sind ein Prozess, der überhaupt erst mit der Autonomiephase, also ab etwa 2 Jahren, seinen Anfang nimmt. 

Kinder in der Autonomiephase entdecken, dass sie eigene Vorstellungen und Wünsche haben und machen gleichzeitig die Erfahrung, dass diese nicht immer erfüllt werden. Sie erleben dadurch Frust und in weiterer Folge eben auch, dass sie ebendiesen aushalten können. Die Entwicklung der Frustrationstoleranz besteht somit darin, dass Kinder lernen, mit der Nicht-Befriedigung ihrer Wünsche, Enttäuschungen und Frust umzugehen. Dabei können und sollten wir sie liebe-, verständnisvoll und geduldig begleiten.

Eltern haben von Beginn an einen ganz großen Einfluss darauf, ob und wie stark ihre Kinder Frustrationstoleranz entwickeln können.

Etwa mit Beginn der Schulzeit sollte dieser Prozess dann so weit fortgeschritten sein, dass Kinder einen altersangemessenen-verhältnismäßigen Umgang mit Frust erlernt haben, mal warten können, wenn wir gerade telefonieren, beim Spiel – in der Regel – verlieren können und Dinge weiterversuchen, auch, wenn sie nicht sofort funktionieren. Gibt euer Kind jedoch sehr schnell auf und ist frustriert, wenn etwas nicht klappt, reagiert es wütend und schreiend, wenn es verliert, kann es „Neins“ oder Grenzen anderer ganz schwer aushalten, solltet ihr genauer hinschauen.

5 Impulse für weniger Frust im Familienalltag

#1 Frustration zulassen und gemeinsam aushalten

Immer wieder kommen Studien zu dem Ergebnis, dass Überfürsorglichkeit der Eltern und der Wunsch, unser Kind vor jedweder Enttäuschung zu bewahren, eine der Hauptursachen für zu geringe Frustrationstoleranz ist.

Wenn wir ständig nachgeben, unserem Kind jeden Wunsch von den Augen ablesen und Probleme bereits aus dem Weg schaffen, bevor sie überhaupt da sind, „beschützen“ wir unser Kind zwar vor negativen Erfahrungen, jedoch verwehren wir ihm auch die Erfahrung, dass diese zum Leben dazugehören und dass es die dazugehörigen Gefühle aushalten kann.

Nur wenn Kinder Frust und Enttäuschungen erleben dürfen, können sie überhaupt die Erfahrung machen, dass sie diese aushalten können.

Greift also nicht vorschnell ein, um eurem Kind zu helfen, sondern traut ihm auch zu, Situationen selbst zu lösen. Wenn euer Kind lernt, dass es eine schwierige Aufgabe trotz anfänglicher Frustration lösen kann, lernt es das für sein Leben.

Kind lacht mit Vater

Und wenn es doch traurig, frustriert oder wütend reagiert, dann seid ihr für es da, begleitet es in seinem Wutanfall oder seiner Traurigkeit, ohne zu werten. Euer Kind darf wüten, schreien und frustriert sein. – Weil es dadurch die Erfahrung macht, dieses starke Gefühl aushalten zu können. Und wenn ich weiß, dass ich alles aushalten kann, dann kann ich voller Vertrauen, Mut und Neugierde in die Welt gehen.

#2 Vorleben

Kinder lernen am Modell. Das gilt auch für den Umgang mit Scheitern, Fehlern und Misserfolgen. Fragt euch also - ganz ehrlich - wie ihr im Alltag mit eurem Scheitern oder mit Enttäuschungen umgeht. Hier zählt immer das, was ihr tatsächlich vorlebt und nicht das, was ihr euren Kindern vermitteln möchtet. Ihr könnt noch so oft sagen: „Fehler sind toll!“ – wenn es euch bei dem Wort „Fehler“ schon alles zusammenzieht, dann wird euer Kind das sofort merken und Fehler mit etwas verknüpfen, das man am besten vermeiden sollte.

Kinder lernen am Modell. Auch beim Scheitern.

#3 Warten, Spielregeln-Einhalten und Verlieren sind Übungssache

Ab 2,5-3 Jahren könnt ihr mit eurem Kind warten üben, denn dann ist euer Kind in der Lage, sein Bedürfnis ein klein wenig aufzuschieben und zu warten, bis es erfüllt wird. Zunächst „übt“ ihr mit Mini-Abständen („Warte bitte kurz, ich stelle erst das Glas ab... so, jetzt bin ich bei dir.“), später könnt ihr die Zeiträume ein wenig ausdehnen („Ich gehe erst noch duschen, und dann komme ich spielen.“). Diese Wartesituationen müsst ihr nicht künstlich erschaffen, sie ergeben sich ohnehin von selbst. Es geht eher um das Benennen und um die sanfte Einführung des Wortes „Warten“. Und darum, dem Kind bewusst zu machen: Du kannst das. Du kannst warten.

Ähnlich könnt ihr auch beim Verlieren vorgehen. Wer sagt eigentlich, dass wir alle geborene Verlierer*innen sein müssen? Auch Verlieren-können will gelernt sein! Gebt eurem Kind das Gefühl, dass ihr versteht, dass Verlieren (oder sich an die Regeln halten) manchmal eben schwer ist – und dass ihr es gemeinsam lernen und üben könnt.

#4 Humor: Gemeinsam lachen

Leichtigkeit in Form von Humor kann dazu beitragen, die Spannung beim Scheitern zu reduzieren. Humor als Bewältigungsstrategie ist überhaupt eine ganz wichtige Ressource. Wir können zum Beispiel unerwartet-übertrieben reagieren: „Was soll das jetzt? Warum fällst du um!? Na, sag mal!“ - Hier braucht es natürlich ein gewisses Fingerspitzengefühl, denn es soll nicht ins über-das-Kind-lustig-machen abdriften und sollte auch immer spontan-authentisch kommen.

#5 Sehen statt loben

Immer, wenn wir Kinder loben, bewerten wir sie und ihre Leistung: „Schönes Bild!“, „Gut gemacht!“. Wenn wir unser Kind permanent loben, also permanent seine Leistung bewerten, kann das verunsichernd sein. Was ist, wenn ich plötzlich nicht mehr gelobt werde? Bin ich dann noch gut genug? Diese Verunsicherung kann dazu führen, dass das Kind immer ganz viel Bestätigung braucht und schnell frustriert reagiert, wenn es diese nicht bekommt.

Permanente Leistungsbewertung kann verunsichernd sein.

Kinder wollen im Grunde nicht gelobt, sondern gesehen werden („Schau mal, Mama/Papa!“) und dadurch die Verbindung zu uns spüren („Ich sehe dich!“). Versucht also, euer Kind zu sehen und euch mit ihm/für es zu freuen, anstatt es für eine Leistung oder ein Verhalten zu loben. Dadurch stärkt ihr euer Kind und seine intrinsische, innere Motivation – und es wird weniger abhängig von seinen Erfolgen im Außen.

Für eine zu geringe Frustrationstoleranz gibt es ganz verschiedene Gründe, unter anderem ein geringes Selbstwertgefühl, Selbstvertrauen oder -bewusstsein, ein ungünstiges Familienklima, zu hohe Erwartungen oder Druck. Im Zweifel lohnt es sich immer, lieber einmal mehr hinzuschauen und sich gern auch professionelle Unterstützung dabei zu holen.

Veranstaltungstipp: Starke Gefühle begleiten

Wenn ihr mehr darüber erfahren möchtet, wie ihr euer Kind in seinen starken Gefühlen wie Wut, Frustration, Ohnmacht, Angst oder Traurigkeit begleiten könnt, besucht gerne das Webinar „Starke Gefühle begleiten“ am 28. März 2022, wahlweise 9.30 – 11.00 Uhr oder 19.30 – 21.00 Uhr (€15,- pro Bildschirm oder 10€ im #Elternimpuls-Abo). Alle Infos findet ihr unter: www.beziehungsvoll.at/starke-gefuehle

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Ein Artikel von

Portraitfoto Barbara Grütze

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