Die drei Haken der Paarkonflikte

Welche drei „Haken“ stecken hinter Paarkonflikten? Und wie können diese drei Zündstoffe entschärft oder vermieden werden?

Claudia war den ganzen Nachmittag auf einem Seminar und ihr Mann Stefan hat sich um den kleinen Jan gekümmert. Noch bevor Claudia nach Hause kommt hat Stefan alles fertig – Jan ist gebadet und trinkt nun zufrieden auf der Wohnzimmercouch liegend sein Milchflascherl, das Abendessen steht fertig am Tisch und die Wohnung ist halbwegs aufgeräumt. Zufrieden setzt sich Stefan zu Jan auf die Couch und freut sich, dass es ihm gelungen ist, für seine Frau alles so perfekt vorzubereiten. Da hört er schon den Schlüssel in der Eingangstüre. Claudia stellt ihre Tasche ab und steckt ihren Kopf ins Wohnzimmer. Als ihr Blick auf Jan mit dem Flascherl fällt, ruft sie entsetzt: „Das gibt’s ja nicht! Kaum bin ich nicht da, wirfst du alle Regeln über Bord! Dir ist es wohl komplett egal, dass ich mich seit zwei Wochen bemühe, Jan das Flascherl abzugewöhnen! Hauptsache du kannst der „liebe Papi“ sein und brauchst sein Gequengle nicht aushalten.“ Stefan seufzt resigniert und nimmt die Zeitung zur Hand.

Wenn die Stimmung umschlägt

Manchmal passiert es, dass eine Situation schon in den ersten Sekunden ins Negative abgleitet, obwohl – wie in diesem Fall Stefan – einer dem anderen eigentlich eine Freude machen wollte. Wie kann so etwas passieren?

Oft stecken drei „Haken“ dahinter: Erstens ein zu schnelles Reagieren auf eine unerwartete Situation, zweitens die Vermutung einer dahinterstehenden, negativen Absicht des anderen und drittens eine unausgesprochene Erwartung an den Partner. Wie können diese drei Zündstoffe entschärft oder vermieden werden?

Die Stimmung von draußen bleibt draußen

Zuallererst ist es immer wichtig, alles was man „draußen“ erlebt hat auch „draußen“ zu lassen und nicht die Ver-Stimmung vom gerade Erlebten mit in die Atmosphäre des Zuhauses zu nehmen. Es kann gut sein, dass Claudia so reagiert, weil ihr Seminar nicht so war, wie sie erwartet hatte oder… Dies sollte sie sich bewusst machen und innerlich von ihrer Familie abgrenzen, bevor sie die Wohnung betritt. Dann fällt es ihr auch leichter, zuerst einmal ihre Lieben zu begrüßen und vielleicht sogar Stefan ihre negativ Grundstimmung mitzuteilen, wenn sie merkt, dass sie sie nicht einfach wegstecken kann. Ein einfaches „Ich sag’s dir, die Vorträge waren super mühsam“ schafft
Klarheit – für Claudia selbst und für Stefan ebenfalls. Zusätzlich ist es ratsam, nicht beim ersten Eindruck einer Situation gleich „loszuschießen“. Dazu ist es hilfreich, einfach nachzufragen und das Rundherum zu beachten. Bei einem kurzen Blick durch den Raum wäre Claudia vielleicht doch der gedeckte Tisch aufgefallen – dann hätte eventuell die Tatsache „Flascherl“ nicht ganz so negativ gewirkt.

Mittel gegen Paarkonflikte: Die innere Einstellung prüfen

Natürlich ist es schwierig, sich so im Griff zu haben, dass man bei einem „roten Tuch“ wie es für Claudia das Flascherl ist, trotzdem den anderen einfach zu fragen: „Wollte Jan wieder ein Flascherl? Jetzt war ich schon nahe daran, dass er den Brei akzeptiert.“ Gerade bei dieser Rückfrage spielt der zweite „Haken“ eine große Rolle. Wenn Claudia mit der Überzeugung im Hinterkopf „Das macht er nur, weil er es sich immer einfach machen will – er ist einfach keine Unterstützung in der Erziehung“ nachfragt, wird die Frage als Angriff rüberkommen. Geht Claudia mit einer wohlwollenderen Einstellung heran – etwa mit „Oh je, vielleicht hat Stefan einfach vergessen, dass Jan abends einen Brei bekommt? Oder war er überfordert?“ – wird es Stefan leichter fallen, sich zu erklären und nicht zum Gegenangriff auszuholen. Diese innere Einstellung zum Partner und die verschiedenen „Etikettierungen“ seiner Person kommen besonders in Grenz- oder Konfliktsituationen zum Tragen. Manchmal haben sich viele kleine Enttäuschungen aufgestaut, sodass plötzlich wie bei Claudia gleich mehrere negative Annahmen aufpoppen.

So ist es ratsam, sich dieses innere Bild von Zeit zu Zeit bewusst zu machen und sich selbst zu fragen:

Sehe ich auch die positiven Seiten meines Mannes/meiner Frau?
Ist mein Gesichtsfeld im Moment auf „Negatives“ eingestellt?
Kann er/sie meine Wünsche und Bedürfnisse überhaupt kennen?
Wo fühle ich mich nicht wahrgenommen?
Was kann ich nicht verzeihen?

Paarkonflikte aufgrund unausgesprochener Anliegen

Damit sind wir beim dritten Zündstoff angelangt. Viele Ungereimtheiten entstehen durch unausgesprochene Anliegen und Erwartungen an den anderen. Man nimmt einfach an, dass das ohnehin klar ist und der andere ja „wissen müsste“. Daher wird selbstverständlich angenommen, dass der Partner dies und jenes sicher absichtlich oder mit negativen Hintergedanken nicht beachte. Häufig weiß jedoch der Partner nichts von diesen für den anderen so wichtigen Punkten – oft deshalb, weil seine Erfahrungswelt oder seine Wertigkeiten verschieden sind. Auch hier ist das regelmäßige Gespräch in entspannter Atmosphäre mit einem gegenseitigem „Update“ für eine gute Beziehung und ein harmonisches Familienleben sehr wichtig.

Wie der Abend von Claudia und Stefan weiter verläuft, hat jedoch vor allem Stefan in der Hand. Schafft er es, seine Frau mit einem „Tut mir Leid, Schatz! Ich hab das mit dem Flascherl völlig vergessen, aber ich wollte dich mit einem leckeren Abendessen und dem gebadeten Jan überraschen!“ in den Arm zu nehmen, könnte die Stimmung gerettet sein.

Gerade in der Familie ist es schön, wenn jeweils der, der im Moment entspannter ist, über seinen Schatten springt und dem anderen entgegen kommt. Auch wenn er sich eigentlich im Recht sieht.

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