Darf ich wegen Corona trauern? Unterstützung in Zeiten der Ohnmacht

Unsere Autorin Magdalena Smrcka empfindet die Zeit der Epidemie wie eine lange Trauerphase. Sie musste Abschied nehmen von ihrem gewohnten Leben, unbeschwerten Treffen mit Familie, Freunden und Bekannten sowie dem normalem Arbeitsleben. Das ganze Leben wurde kompliziert und kräfteraubend. Eingeschränkt in Kontakt- und Freizeitgestaltung ist die Corona-Zeit vor allem für ihren Sohn eine Phase von Verlusterlebnissen geworden. Im Gespräch mit Lebens- und Sozialberaterin sowie Trauerbegleiterin für Familien Barbara Nepp erhält sie Antworten zum Thema Verlust und Überforderung in Zeiten von Corona.

Magdalena Smrcka: Durch Corona ging unglaublich viel Leben verloren. Kinder konnten sich eine Zeitlang nicht altersgerecht entwickeln und wurden ausgebremst, Jugendlichen fehlten vor allem die Sozialkontakte und uns Erwachsenen geht immer noch die Unterstützung in der anstrengenden Erziehungsarbeit ab. Auch das ist doch Trauer, oder nicht?

Barbara Nepp: Trauer ist, ganz allgemein gesagt, ein ganz natürlicher Prozess, der durchlebt wird, um Verlusterlebnisse zu verarbeiten. Dabei bezieht sich Trauer nicht ausschließlich auf Todesfälle, sondern ganz allgemein auf Verluste von Menschen, des Arbeitsplatzes, einer Sache, einer Gewohnheit, eines Lebenstraums. Und gerade in der jetzigen Zeit erleben wir besonders viele dieser Verluste – Konfrontation mit Krankheit und Tod, gescheiterte Beziehungen aufgrund der herausfordernden Situation, Wegfall von sozialen Kontakten, eingeschränkte Möglichkeiten und Perspektiven, verlorene Unbeschwertheit und Chancen für Kinder, Jobverlust, Zukunftsängste, ja auch das ist Trauer!

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Oft sind wir Eltern überfordert und können unsere Kinder gar nicht trösten, da wir selbst betroffen sind und die eigene Trauer und Wut uns voll im Griff hat. Sei es bei einer Scheidung, dem Tod eines uns nahestehenden Menschen oder einfach in der belastenden Corona Situation. Wie können wir unsere Kinder unterstützen, wenn wir selbst keine Kraft mehr haben? Letztens sagte ich zum Beispiel zu meinem Sohn, "Ich hab dich lieb, ich bin nur gerade selber traurig.", aber reicht das?

Ich finde deinen an das Kind gerichteten Satz toll! Denn ich glaube genau darum geht es, um eine offene und ehrliche Kommunikation. Auch Eltern dürfen traurig sein, den Schmerz in ihrem Leben da sein lassen, Schwäche zeigen. Wenn man sich dazu überhaupt nicht in der Lage fühlt, dann kann es (vorübergehend) eine Möglichkeit sein, eine etwas stabilere Bezugsperson aus dem näheren Umfeld für das Kind einzusetzen. 

Auch Eltern dürfen traurig sein, den Schmerz in ihrem Leben da sein lassen, Schwäche zeigen.

Auch die Einbeziehung von Pädagogen oder die Inanspruchnahme von Unterstützungsund Beratungsangeboten kann hilfreich sein. Ganz allgemein ist es aber sehr wichtig Kindern die Teilhabe am Geschehen zu ermöglichen, denn das Gefühl des Ausgeschlossenseins von einem wichtigen Ereignis kann tiefe Spuren, vor allem in der Beziehung und im Vertrauensverhältnis zu den Eltern, hinterlassen.

Wir können unseren Kindern nicht alles abnehmen im Leben, nicht alle Frustrationen, nicht jeden Schmerz ersparen. Vielleicht reicht es einfach da zu sein in dieser Zeit der Ohnmacht, Gefühle ernst zu nehmen. Hast Du diesbezüglich Tipps aus der Trauerarbeit?

Auch da kann ich nur unterstreichen. Wir können den Kindern das Leben nicht abnehmen. Tatsache ist, wir und unsere Kinder leben nun einmal in dieser Zeit mit ihren ganz speziellen Herausforderungen. Wir müssen unseren Kindern die Wahrheit und das Leben zutrauen. Dabei können aufrichtige, liebevolle Zuwendung und Einbindung ein erstes Gegengewicht bei all dem Schrecken sein. Die Herausforderungen und Gefühle mit kindgerechten Worten zu besprechen, Kinder altersentsprechend einzubeziehen, ihnen zuhören und sie ernst nehmen, da zu sein, ihnen einen so weit wie möglich sicheren Rahmen und Stabilität bieten, ist da besonders wichtig.

Barbara Nepp, MA ist auch auf Facebook und unter endlichsein.at zu finden.

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Portraitfoto Regina Madgalena Smrcka

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