Beikost ohne Brei: Baby Led Weaning

Statt klassische Beikost zuzubereiten wird beim Baby Led Weaning gestillt und das Baby zum Essen der Eltern dazugesetzt. Es isst und spielt mit den Nahrungsmitteln der Erwachsenen, damit es das Essen be-greifen kann.

Als meine Tochter auf die Welt kam, schmökerte ich oft durch Bücher über Beikost. Voller Vorfreude ließ ich mich von Breirezepten inspirieren und freute mich auf den Beikost-Start. Der desillusionierte mich jedoch bald. Es war für mich schwierig, den richtigen Moment dafür abzupassen, an dem mein Kind weder zu hungrig noch zu müde war. Und der Essplatz und seine Umgebung glichen nach einer „Mahlzeit“ einem ziemlichen Schlachtfeld, umgeben von bunten Plastiklöffeln, die mir vom kleinen Wirbelwind einer nach dem anderen abgenommen und fallengelassen wurden. Ich war frustriert. Und meine Tochter sowieso, weil viel zu wenig von dem guten Brei in ihrem Mund gelandet war.

Und so war es nur eine Frage der Zeit, bis sich meine Tochter lieber das Essen von meinem Teller schnappte, das sie selbst halten konnte. Das Schlachtfeld um den Essplatz wurde dadurch zwar nicht kleiner, aber es war entspannter. Und wir waren glücklicher.

Trend „Baby Led Weaning“

Jetzt, zwei Jahre später und um ein Kind reicher, weiß ich, dass das selbstständige Essen der Babys schon fast ein Trend ist und sogar einen eigenen Namen hat: Baby Led Weaning.

Auf Deutsch heißt Baby Led Weaning vom Baby gesteuerte Entwöhnung. Entwöhnung von der Mutterbrust, die ja – natürlich nur, sofern das Kind gestillt wird – während der Beikost-Einführung weiterhin die Hauptnahrungsquelle des Babys ist. Beim klassischen Beikoststart wird empfohlen, schrittweise eine Stillmahlzeit nach der anderen durch einen Brei zu ersetzen. Beim Baby Led Weaning steht das Abstillen im Hintergrund. Das Baby darf weiterhin an der Brust trinken, wann es möchte und sitzt zusätzlich beim Essen der Erwachsenen dabei und isst selbstständig mit. Ohne Besteck, einfach mit den Händen.

Gemüsestücke, Knödel, Fleischstücke, Obst usw. sind so nicht nur Nahrungsmittel, sondern gleichzeitig Forschungsobjekt für die Kleinen.

Denn freilich wird oft nicht alles gegessen. Das Essen wird ausgiebig bepatscht, abgelutscht, wieder ausgespuckt, auf den Boden geworfen – und später von dort gegessen, wenn die Eltern das baldige Saubermachen des Essplatzes versäumt haben.

Mit Essen spielt man

In vielen unserer Köpfe taucht da vielleicht der Satz „Mit Essen spielt man nicht!“ auf. Dass man mit Lebensmittel nicht verschwenderisch umgehen sollte, dem stimme ich voll und ganz zu. Dass man das Baby (und auch ältere Kinder) mit dem Essen spielen lässt, ist aber von Verschwendung weit entfernt.

Der Kinderarzt Herbert Renz-Polster schreibt in seinem sehr empfehlenswerten Buch „Kinder verstehen“: „Wie Experimente zeigen, wird Nahrung besser akzeptiert, wenn Kinder die nicht gerade geförderten Verhaltensweisen wie In-den-Mund-Stecken, Ablutschen und Wegwerfen zeigen dürfen – auch das taktile Erleben scheint zum ‚Kennenlernen’ von Nahrungsmitteln zu gehören.“

Babys, die beim Essen selbsttätig sein dürfen, scheinen auch weniger oft übergewichtig zu werden, liest man dort weiters.

Dass das Kind so viele verschiedene Lebensmittel kennenlernen kann und dabei gleichzeitig noch gestillt wird, ist auch eine gute Allergieprophylaxe.

Wie schaut Baby Led Weaning konkret aus?

Grundsätzlich soll mit jeder Beikost erst angefangen werden, wenn das Baby deutlich Interesse am Essen der Erwachsenen zeigt. Es sollte selbstständig Lebensmittel aufnehmen und in den Mund stecken können und dann nicht mehr mit der Zunge sofort wieder herausdrücken. Idealerweise kann es auch selbstständig aufrecht sitzen.

Zum Kennenlernen des Essens eignen sich verschiedene weiche Lebensmittel in purer Form. Etwa Banane, weiche Birne ohne Schale oder Avocado, Erdäpfel oder Äpfel in gekochter Form oder die (gerne auch in Öl) gedünstete Variante von Karotte, Kürbis, Sellerie, Pastinake oder Süßkartoffel. Diese Lebensmittel sind gut geeignet, weil sie in sich eine recht einheitliche Konsistenz haben.

Wir sind oft geneigt, für Kinder Essen in kleine Stücke zu schneiden.

Babys brauchen aber richtig große Stücke, die sie mit ihren Fäusten gut greifen können.

Denn in diesem Alter können Babys noch nicht ihre Finger einzeln zum gezielten Greifen verwenden. Auch das Loslassen, also das Öffnen der Faust ist oft noch schwierig. Damit ist erklärt, warum die gehaltenen Gegenstände durch die Gegend fliegen und nicht einfach abgelegt werden: Mit Schwung geht die Faust einfach leichter auf.

Das erste Essen für Babys hat also am besten die Form eines Mini-Würstchens.

Auf mein eigenes Essen konzentrieren

Für mich heißt Baby Led Weaning, dass ich mich etwas mehr auf mein eigenes Essen konzentrieren kann und vor allem – mit ein paar Überlegungen zum Speiseplan – für meinen kleinen Sohn nicht extra kochen muss.

Nur Folgendes sollte beachtet werden, wenn der Nachwuchs mitessen soll:

  • Übermäßiges Würzen vermeiden. Salz, Pfeffer und Chili kann jeder am Tisch im Nachhinein zugeben. Lebensmittel, die an sich schon sehr würzig sind, nicht verwenden (also etwa geräucherte Wurstwaren).
  • Lebensmittel nicht zu scharf anbraten.
  • Keine harten, kleinen Lebensmittel, wie etwa Nüsse ins Essen geben, da sich das Baby daran leicht verschlucken kann. Auch sehr krümelige Lebensmittel (manche Brote) bringen das Kind leicht zum Verkutzen.
  • Babys keine rohen, tierischen Lebensmittel geben.
  • Für Süßspeisen gilt: Auf Honig und Ahornsirup auf jeden Fall verzichten. Diese sind manchmal mit dem Bakterium Clostridium botulinum verunreinigt, womit die Darmflora des Babys noch nicht umgehen kann. Generell wäre es empfehlenswert, das Baby erst gar nicht an den süßen Geschmack von Zucker zu gewöhnen. Viele Süßspeisen schmecken nur durch die Süße aus Obst sehr gut. Daran kann man sich auch als Erwachsener wieder gewöhnen.

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