Das innere Team stärken – Mit sich und seinen Mitmenschen gut auskommen

Egal ob in der Familie, im Team am Arbeitsplatz oder im Verein. Man muss mit seinen Mitmenschen auskommen, denn das Leben ist kein Wunschkonzert. Wie gelingt dies aber am besten?

„Ma muss mit dene Mädle danze, wu uf de Kerwe sin.“

(Man muss mit den Mädchen tanzen, die auf dem Dorffest sind.)

Eine Redensart, die ich von meiner ersten Stelle mitgenommen habe. Seither hat sie sich oft bewahrheitet: Egal ob in der Familie, im Team am Arbeitsplatz oder im Verein. Ich muss mit den Menschen auskommen, die mit mir um den Tisch sitzen. Das Leben ist kein Wunschkonzert. Und ich kann mir meine Mitmenschen nicht backen. Vielleicht denken Sie jetzt: „Das ist leicht gesagt, wenn die Kollegin bei jeder Kleinigkeit eine Grundsatzdiskussion beginnt“, oder: „…, wenn mein Partner jeden Morgen das Bad im totalen Chaos verlässt“, oder: „…, meine Tochter trotz stundenlangem Lernen in Mathe einfach nichts kapiert und mein Sohn genau dann, wenn ich es am eiligsten habe, trotzig vor dem Supermarktregal seine Wünsche einfordert.“ 

Ist Veränderung die Lösung?

„Ich kann die anderen nicht verändern, höchstens mich selbst“, sagt eine alte Lebensweisheit so leicht. Na toll. Aber vielleicht wäre das ja wirklich das einfachste: Ich verändere einfach mich selbst: Etwas mehr Geduld und weniger Perfektionismus, das kann doch nicht so schwer sein.

 „Veränderung?“ Irgendetwas in mir bekommt Panik. Aber bevor sich diese richtig Luft machen kann, ist da auch schon der Gedanke: „Warum eigentlich nicht? Irgendwie stehe ich mir ja auch oft selbst im Weg.“ „Das stimmt, aber wenn Du zum Beispiel geduldiger wirst, könnte das auch bedeuten, dass Du nicht mehr so viel schaffst oder andere Deine Geduld zu ihrem Vorteil ausnutzen“, gibt eine nachdenkliche Stimme in mir zu bedenken. „Probier‘s doch einfach aus!“, erwidert die mutige. „Wenn das so leicht wäre“, sagt die zögerliche. „Eigentlich bist du ja auch ganz okay“, meint die zufriedene. „Nicht Dein Ernst?“, schreit die kritische …

das Team

Ich bin der Chef!

Und ehe ich mich versehe, bin ich wieder mitten in einem Team, meinem „Inneren Team“. Immerhin habe ich laut Schulz von Thun in diesem Team eine klare Rolle: Ich bin der Chef. Das ist doch schon mal was, auf den ersten Blick. Beim zweiten Hinschauen realisiere ich allerdings, dass mit der Rolle des Chefs eine anspruchsvolle Aufgabe verbunden ist: Ich muss für ein gutes Miteinander im Team sorgen. Und dass das nicht immer leicht ist, weiß ich schon aus Familie, Beruf, Verein und Freundeskreis. Alle haben unterschiedliche Bedürfnisse und nur, wenn jedes Bedürfnis irgendwann zu seinem Recht kommt, geht es der Gruppe im Ganzen gut. So ist das auch mit meinem „Inneren Team“. Auch hier stellt sich ständig die Herausforderung: Wie sorge ich dafür, dass jede Stimme zu ihrem Recht kommt, keine bevorzugt und keine benachteiligt wird? Besonders Eltern von mehreren Kindern kennen diese Gedanken.

Eigene Bedürfnisse erkennen und benennen

Ebenfalls wie in einer Familie, gehören die Stimmen zu mir. Ich kann sie mir weder aussuchen noch rauswerfen. Sie sind einfach da und werden mich mein Leben lang begleiten. Es hilft also nichts, ein besonders nerviges Bedürfnis gekonnt zu ignorieren. Auch hilft es nichts, neidisch auf meine Freunde zu schauen, die mit ihren Bedürfnissen augenscheinlich so gut auskommen.

„Ich muss mit dene Mädle danze, wu uf de Kerwe sin.“ Und die „Kerwe“ ist mein Leben. 

Damit der Tanz aber nicht mit wunden Zehen endet, meine drei Schritte:

#1 Nutzen Sie eine alltägliche, offene Frage, um Ihr „Inneres Team“ besser kennenzulernen. Es eignet sich zum Beispiel: „Was mache ich am Wochenende?“

Notieren Sie alle aus Ihrer Sicht denkbaren Antworten:

  •  „Mit einer Freundin shoppen.“
  •  „Einen Ausflug mit der Familie.“
  •  „Endlich mit der Tochter das Zimmer renovieren, sie nörgelt schon so lange …“
  •  „Ich lege mich einfach mal auf den Liegestuhl und gönne mir etwas Zeit für mich.“
  •  „Diese Frage stellt sich gar nicht erst, denn es ist noch so viel Arbeit aus der Woche liegengeblieben.“

#2 Fragen Sie sich: Welche Stimme in mir gibt diese Antwort?

So empfiehlt vielleicht die Gönnende den Shopping-Trip mit der Freundin, während der Familienmensch für den Ausflug plädiert. Die Nachgiebige will das Zimmer renovieren, während die Selbstfürsorgende die persönliche Auszeit bevorzugt. Und die Pflichtbewusste will alles erledigen, was noch zu tun ist. 

# 3 Überlegen Sie, was das Bedürfnis ist, das diese Stimme antreibt.

Schaue genau hin. Möglicherweise ist das Bedürfnis des Familienmenschen Nähe. Aber vielleicht ist es auch Harmonie oder Kontrolle. Bei genauer Betrachtung kann es aber vielleicht auch um die Befriedigung eines schlechten Gewissens gehen.

Wichtig ist, dass Sie bei diesen drei Schritten nicht vergessen: Jede Stimme und jedes Bedürfnis sind berechtigt und gehören zu mir. Und ich wette, selbst das unbeliebteste Teammitglied war Ihnen irgendwann im Leben schon einmal hilfreich.

Mein Tipp ist also: Wenn du – egal ob in der Familie, in der Freizeit oder im Beruf – „mit dene Mädle, wu uf de Kerwe sin, danze“ willst, dann lernen Sie zuerst Ihr „inneres Team“ besser kennen. Denn wer das Team in sich kennen und schätzen lernt, schafft das oft auch mit den äußeren Teams besser. Und für beide gilt: Man muss sie nehmen, wie sie sind.

 

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Ein Artikel von

Portraitfoto Katharina Ritter-Schardt

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