Wenn plötzlich Monster unterm Kinderbett wohnen

Entwickelt sich bei Kindern die Fähigkeit sich etwas vorzustellen zu können und nicht nur wahrzunehmen was gerade ist, ist das eigentlich sensationell und ein Grund zur Freude. Das Tor zur Phantasie wurde geöffnet. Zugleich sind Eltern gerade in dieser Zeit besonders gefordert: Sie brauchen jetzt eine Extraportion einfühlsamer Verständnis und liebevoller Geduld.

Kleine Puppeneltern schwirren emsig aus

Und das machen sie unaufhaltsam – tagein, tagaus. Wie kleine Arbeitsbienen. Sie werden nach und nach zu kleinen Puppenmüttern oder – vätern und trösten, füttern, ziehen unermüdlich ihre Puppenkinder an und gleich wieder aus, wickeln, kochen, reparieren Spielzeugautos, bauen ganze Sandburgen-Siedlungen um sie im Anschluss wieder einzureißen, mutieren zu kleinen Hunden oder Kätzchen, die gefüttert, Gassi geführt und gestreichelt werden wollen, spielen Pferdchen oder verarzten ihre Stofftiere. Sie sind sozusagen gar nicht mehr sie selbst, sondern schlüpfen in andere Rollen. Es scheint beinahe so, als ob da ein geheimes Programm abläuft. Und unter uns gesagt: Genauso ist es auch.

Wenn unsere Glücksknirpse also mit einem kleinen Ast Zug spielen oder den Waschlappen in der Badewanne schmatzend mit Schaum füttern, dann dürfen wir uns freuen: Vorstellungen sind bereits möglich.

Es ist nämlich kein Zufall, dass viele Kinder, um ihren dritten Geburtstag herum, sich beginnen für das sogenannte Rollenspiel zu begeistern. Die Fähigkeit in andere Rollen schlüpfen zu können, ist elementar für die Entwicklung späterer Mentalisierungsfähigkeit.

Das Rollenspiel ist also ein Meilenstein der Spielentwicklung, der seinen Beginn schon ungefähr ein Jahr früher nimmt:

Ein Meilenstein der Spielentwicklung: Das „Als-Ob-Spiel“

Mädchen füttert Teddy

Und dem sein wenig spektakulärer Name „Als-Ob-Spiel“ kaum seiner Bedeutung gerecht wird. Mit ungefähr 18 Monaten ist es Kindern nämlich möglich so zu tun / zu spielen „als ob“ etwas anders wäre, als es in der Realität ist. Und das ist sensationell. Wenn unsere Glücksknirpse also mit einem kleinen Ast Zug spielen oder den Waschlappen in der Badewanne schmatzend mit Schaum füttern, dann dürfen wir uns freuen: Vorstellungen sind bereits möglich.

Monster und Krokodile unterm Kinderbett

Einen Haken gibt es allerdings: Die Fähigkeit eine Vorstellung auch als Vorstellung und nicht als Realität zu erkennen, muss sich erst entwickeln. Das erklärt die plötzlich auftretenden unsichtbaren Freunde und bunten Phantasiewesen, aber eben auch die Monster oder Krokodile unterm Bett, die für unser Kind offensichtlich nicht hinterfragbar real sind. In der Fachliteratur

Kind hat angst in der Nacht

wird diese, fürs Kind und die Eltern nicht selten anstrengende Phase, „Äquivalenzmodus“ genannt. Viele kennen auch den Ausdruck der „magischen Phase“ oder des „magischen Denkens“ in der – für das Kind – alles möglich ist. Alles was vorstellbar ist, ist auch real. Der Spuk ist in der Regel erst vorbei, sobald Kinder „mentalisieren“ können, sprich: Wenn sie in der Lage sind – mit ungefähr vier bis fünf Jahren – schon ein bisschen über sich selbst, die eigenen Vorstellungen und Überzeugungen und die der anderen Menschen nachzudenken. Dann ist es überhaupt erst möglich, die Denkleistung zu erbringen „das Monster ist nur in meiner Vorstellung da.“.

Unsichtbare Freunde begleiten – das zeigen wissenschaftliche Untersuchungen – übrigens oft auch noch ältere Kinder wie zum Beispiel Sechs- und Siebenjährige, Eltern dürfen das unbesorgt und ganz entspannt annehmen. Im nächsten Beitrag geht es um das spannende Thema der Mentalisierungsfähigkeit und welche Bedeutung diese in unserem Alltag mit kleinen Kindern hat – Sei dabei.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Iris Van den Hoeven

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