Wenn Kinder andere herumkommandieren

Eltern müssen sich nicht in die Gruppendynamik unter Kindern einmischen. Schlagfertige Kinder können sie spiegeln: beschreiben, was sie wahrnehmen.

Ein Fall aus der Praxis. Die Mutter sagt zu ihrer 7-jährigen Tochter: „Sei so lieb und mach’ die Tür oben zu“. Diese zu ihrer Freundin: „Geh’ du und mach die Tür zu!“ So selbstverständlich wie die kleine Tina ihre Anordnungen gibt, so selbstverständlich werden sie von ihrer Freundin ausgeführt.

Die Mutter bewundert zwar die Durchsetzungskraft ihrer kleinen Tochter, merkt aber deren Neigung, mit anderen herumzukommandieren und sagt: „Ich finde das nicht in Ordnung: Ich bitte dich, die Türe zuzumachen, und du schaffst es gleich der Lena an!“ Als das schlagfertige Persönchen empört antwortet: „Wenn das die neuen Hausregeln sind, die brauch’ ich nicht!“, ist die Mutter sprachlos: Hätte sie sich gar nicht einmischen sollen? Darf sie sich diesen Ton gefallen lassen? Irgendwie entbehrt das Ganze auch nicht einer gewissen Komik. Lohnt es sich, zu dramatisieren?

Wann sollen sich Eltern einmischen?

Meine Empfehlung: Eltern müssen sich nicht immer in die gruppendynamischen Prozesse zwischen Kindern einmischen. Aber wenn Ihnen danach ist, in das Sozialerhalten Ihres Kindes lenkend einzugreifen, so tun Sie es ruhig, wie zum Beispiel diese Mutter. Lassen Sie sich durch die „freche“ Reaktion eines selbstsicheren Kindes nicht verunsichern! Sie müssen nur lernen, ebenso schlagfertig zu werden wie dieses. Sie brauchen sich weder zu verteidigen (dann gewinnt das Kind die Oberhand) noch in einen Machtkampf hineinziehen zu lassen (dann wird die Beziehung gestört).

Reagieren Sie lieber durch Spiegeln: Beschreiben Sie zunächst, was Sie wahrnehmen, welche Botschaft Sie zwischen den Zeilen herausgehört haben, z.B. so: „Es stört dich, wenn ich mich einmische, wenn du deiner Freundin etwas anschaffst…“  Jetzt muss sich Ihr Kind rechtfertigen und sein Verhalten begründen. Wenn Sie es in Ruhe ausreden lassen, können Sie die Argumente aufgreifen und die Ihren dagegen stellen. Sagen Sie Ihre Sicht der Dinge und Ihre Erwartungen ruhig im Klartext, in etwa so: „Ich möchte nicht, dass du dich zu einem kleinen Kommandanten entwickelst, der ständig die anderen nach seiner Pfeife tanzen lässt. Dass du dich durchsetzen kannst, ist ja schön. Aber ich finde es nicht gut, wenn du damit übertreibst.“ 

Wer darf wem anschaffen?

Seien Sie nicht überrascht, wenn dieses Mädchen kontert: „Aber du schaffst mir ja auch dauernd an!“ Die Antwort könnte in etwa lauten: „Ja, weil ich deine Mutter bin und du mein Kind. Darum hören wir aufeinander. Auch ich bin da, wenn du etwas brauchst. Das ist die Ordnung zwischen den Generationen.“ 

Auf solche oder ähnliche Weise wird es Ihnen gelingen, sowohl Ihr Kind ernst zu nehmen, als auch Ihre Ansichten und Wertvorstellungen zu vermitteln.

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Ein Artikel von

Portraitfoto Maria Neuberger-Schmidt

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