Sitz! Platz! Brav! Was haben Kinder- und Hundeerziehung gemeinsam?

Wieder einmal gehen die Wogen aufgrund einer Fernsehsendung hoch: Kinder sollen wie Hunde „abgerichtet“ werden, besser gesagt: die Prinzipien der Hundeerziehung werden bei Menschenkindern angewendet.

Alles lustig?

Gut, eines geben wir zu: wir haben auch schon immer wieder darüber gelacht, wenn unsere Kinder und unsere Hunde neben- oder miteinander gespielt haben. Im Kleinkindalter fanden es unsere Töchter nämlich witzig, wenn Papa (ein ausgebildeter Tiertrainer) mit unseren Hunden Tricks geübt hat. Irgendwann wollten sie auch einmal probieren, um seine Beine Slalom zu laufen – oder einer war der Hundeführer, einer der lernende Welpe. Kinder und Hunde zu erziehen hat gewissen Ähnlichkeiten – stimmt das? Ja und nein.

Gleich oder doch anders – eine Begriffsdefinition

Grundsätzlich unterscheiden wir hier auch begrifflich: Tiertraining versus Kindererziehung.

Tiertraining ist eigentlich Verhaltenstraining: etwas Geplantes, Gleichbleibendes, Konsequentes, das ein klares Ziel, nämlich ein bestimmtes Verhalten hat und antrainierte Verhaltensweisen bestärkt, nicht erwünschtes Verhalten aber ignoriert oder zu verändern versucht. Meist gibt es einen starren Plan, der vielleicht noch angepasst wird, wenn Hunde etwas Neues von sich aus anbieten.

Erziehung ist mehr als Training

Die Erziehung von Kindern ist aber viel mehr als das Antrainieren von Verhaltensmustern!

In erster Linie ist die Grundlage die innige und einzigartige Liebe, die emotionale und auch körperliche Beziehung zu unseren Kindern.

Natürlich kann man auch sein Tier lieb haben, streicheln und kuscheln und hat normalerweise eine persönliche Beziehung. Tiere, besonders Hunde (oder auch Schweine) sind intelligente Lebewesen, die auch ein emotionales Empfinden haben und daher zu „ihrem“ Menschen auch eine Beziehung, die über reine Abhängigkeit hinaus geht, aufbauen können. Dennoch gibt es grundlegende Unterschiede, auch in der Art wie Kinder und Tiere lernen sollen und können.

Schlagwort: Positive Bestärkung

Positive Bestärkung sollte bei Hunden wie bei Kindern das Mittel der Wahl sein. Nicht Angst machen oder Strafen sollten vordergründig genutzt werden um erwünschtes Verhalten herbei zu führen oder unerwünschtes Verhalten abzugewöhnen.

Ein Lob, Anerkennung oder auch einmal eine Kleinigkeit zur Belohnung „wirken“ einfach.

Wer die „Fünf Sprachen der Liebe“ von Gary Chapman kennt, weiß, dass „Lob und Anerkennung“ eine häufige Liebessprache ist. Kein Wunder, jeder von uns hört doch gern, dass sich das Gegenüber freut und uns schätzt! Während aber bei Hunden ein Lob mit dem Klicker, einem Leckerli oder einem Streicheln im Prinzip Berechnung ist, um ein Verhalten konsequent zu verstärken, ist Lob in der Kindererziehung selten berechnend. Es ist vielmehr Ausdruck unserer Freude!

Denn unsere Kinder sollen sich ja nicht wegen eines Lobs oder einer Belohnung adäquat verhalten, sondern weil sie schlussendlich verstehen, warum z.B wegräumen wichtig ist, warum wir beim Essen bei Tisch sitzen, warum wir grüßen. Anders als bei Tieren verstehen Kinder schon bald einfache Erklärungen und fragen ungefähr ab dem Kindergartenalter nach, wieso das so ist (die berühmte „Warum“-Phase mit ca. 4 Jahren!).

Lernen ist mehr als „folgen“

Dementsprechend sollten Kinder auch nie nur für uns Eltern etwas tun – oder nur weil wir es von ihnen verlangen. Wir als Eltern sollten unseren Kindern als Vorbilder vorleben, wie wir mit anderen Menschen kommunizieren, interagieren, Konflikte lösen, Zuneigung zeigen…

Zusätzlich braucht es manchmal auch Zeit und Möglichkeit, auf Themen und Fragen der Kinder einzugehen. Unser Schulkind hatte vor kurzem eine Phase, in der sie einzelne MitschülerInnen und die Dynamik in ihrer Schulklasse ganz genau beobachtet und analysiert hat. Warum wird dieser eine Bub von anderen nicht so gern gemocht? Wann sind bei Spielen in der Pause Kompromisse erforderlich und wann sollte man eine Situation einfach verlassen? Wie kann man Außenseiter unterstützen?  Das alles sind Fragen, die durch reines Verhaltenstraining nie beantwortet werden können. Natürlich – wir bestärken unsere Kinder auch positiv! Wir loben sie, wenn sie selbstständig im Haushalt helfen. Wir freuen uns, wenn eines unserer Kinder teilt und umarmen es dann spontan. Wir sagen bei unserem Dankgebet auch Danke für eine Handlung, die unseren Kindern Überwindung gekostet hat.

Erziehung ist vor allem Haltung

Viel mehr als auf die positive Bestärkung kommt es aber auf die Haltung dahinter an: loben wir nur, damit sich dieses Verhalten wiederholt? Oder steht mehr dahinter, nämlich eine ehrliche und dankbare Freude, dass unsere Kinder freundliche, soziale und gute Menschen sind?

Und vor allem: was ist unser Ziel? Wollen wir nur „brave“ und „folgsame“ Kinder? Oder wünschen wir uns nicht eigentlich Menschen, die als Erwachsene versuchen, richtig und nach einem guten Wertesystem zu handeln und zu entscheiden?

Wenn das unser Ziel ist, dann müssen wir selbstständig denkende Kinder fördern. Natürlich sind wir als Eltern (und nicht nur Kindergarten und Schule!) dafür zuständig, dass unsere Kinder die „Spielregeln“ der Gesellschaft, des Zusammenlebens und der zwischenmenschlichen Interaktion kennen und lernen. Sie müssen verstehen, dass man den anderen so behandelt, wie man das selbst gern hätte – die sogenannte Goldene Regel bzw. das Gebot der Nächstenliebe.

Unsere Kinder lernen das aber nicht durch  Verhaltenstraining, sondern zuerst an unserem Vorbild und durch die Beziehung, die wir mit ihnen haben! So wie wir unsere Kinder behandeln, so werden sie ihre Mitmenschen behandeln – hoffentlich ohne Leckerli und Klicker!

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