Schulbeginn: Wer leiht mir ein drittes Ohr und eine weitere Hand?

In unserer Lehrerfamilie mit bis zu vier Kindergarten- bzw. Schulkindern gleichzeitig war der Schulbeginn immer extrem turbulent, der stärkste Tag im Jahr war der Dienstag der ersten Schulwoche.

Nach der eigenen Eröffnungskonferenz mit einem frischen Stundenplan in der Hand wurde ich zuhause von einem Wortgewitter überwältigt. So viel gab es an einem Abend auszutauschen und zu koordinieren. Wer hat jetzt wann wie lange Schule? Wer holt wen wann wo ab und wer kocht für wen wann? Ach du Schreck, Mittwoch haben drei nachmittags Schule, eine davon bin leider ich und diejenige, die allein heimkommt, kann sich noch nicht selber etwas aufwärmen. Naja, dann doch Mittagsbetreuung? Oder bekommt der Papa noch einen besseren Stundenplan und es geht sich doch aus? Selten waren sich meine Kinder so einig wie in diesen Debatten, dass das Essen daheim besser schmeckt, außer natürlich, die beste Freundin geht auch in den Hort.

Kaum hatte die Woche einigermaßen Gestalt angenommen, kamen dann meist noch Stundenplanverschiebungen. „Leider war der Turnsaal belegt“, oder „Die neue Handarbeitslehrerin kann nur Mittwochnachmittag, daher müssen wir den Stundenplan neu aufrollen“, … und schon stürzte das sensible Planungsgebilde wieder zusammen und musste neu arrangiert werden.

Schulsachen

Schulbeginn: so viele Sachen zu besorgen

Der Stundenplan war jedoch nicht der einzige Anlass für das heftige Wortgewitter. Jedes Kind hatte eine Liste mit Sachen, die dringend – möglichst bis zum nächsten Tag – zu besorgen waren. Mittlerweile haben ja sehr viele Volksschulen erkannt, dass man Anschaffungslisten besser vor den Ferien ausgibt oder gar Sammelbestellungen macht (am besten auch noch beim lokalen Händler). Aber bei meinen älteren Kindern war es noch so, dass jede Häkelnadel Größe X und jedes Schulspezialheft mit Doppellinie extra zu besorgen war, hinzu kamen spezielle Malfarben, die es nur in einem besonderen Geschäft gab, oder eine neu erfundene Füllfeder für Anhänger, die man erst bestellen musste. Das alles ging natürlich am Dienstagabend nicht mehr und die noch sehr autoritätsgläubige Zweitklasslerin brach in Tränen aus: „Die Frau Lehrerin wird böse auf mich sein!“ Die Frau Lehrerin war nicht böse und ich brauchte bis Freitag, bis ich alles hatte … mit Ausnahme der erst bestellten Füllfeder.

Hefte, Stifte und Mappen kauften sich meine Kinder dann spätestens in der Oberstufe selber, aber was blieb, waren die Einzahlungen für Lehrmittelbeiträge und Buskarten. Prompt streikt jedes Mal die Eingabemaske des Busbetreibers wegen Überlastung und außerdem war das betroffene Kind nicht zufrieden mit dem Foto, das ich für den Ausweis ausgesucht hatte.

Ruhe bewahren – oder Großeltern holen

In all diesem Stress half nur eines: Ruhe bewahren! Sich immer wieder sagen, dass es sich schon irgendwie lösen lässt, weil es sich immer gelöst hat. Und im schlimmsten Fall: Großeltern zur Hilfe rufen!

Unsere Großeltern waren leider nicht vor Ort, aber gelegentlich kamen sie dann trotz längerer Anreise an den hektischen Tagen zu Hilfe. So rettete ein Opa uns mal in einer schweren Einband-Krise. Ich konnte noch nie gut mit Klebefolien umgehen und gerade schneiden kann ich überhaupt nicht. Meine Tochter bestand jedoch darauf, dass ihre Schulbücher ordentlich eingebunden werden. Nachdem ich als Bücherfreundin immer darunter leide, wenn meine eigenen Schüler*innen ihre Bücher nicht schätzen, freute ich mich ja über den Eifer meines Kindes, aber ich war nun mal die Falsche zum Einbinden. Leider musste das jedoch auf der Stelle sein, da die Bücher am nächsten Tag wieder in die Schule sollten. Wir begannen tapfer zu schneiden und das erste Buch zu bekleben, die Folie war schief, es gab lauter Blasen, die Kanten stimmten nicht, beim Verrücken wäre beinahe das Deckblatt zerrissen, … es flossen schon Kindertränen … da kam Erich-Opa! Er hat uns alle Bücher und die Folie aus der Hand genommen, ein Geo-Dreieck verlangt, sich ins Kinderzimmer zurückgezogen. In kürzester Zeit waren alle Bücher akkurat eingebunden, keine Blasen, keine Knicke … Maßarbeit eines Ingenieurs.

Leider haben wir keinen Erich-Opa mehr, die ersten Schultage sind jedoch nicht mehr so stressig, auf mittlerweile drei Lehrer/innen kommt nur mehr eine Schülerin. Aber es wird nicht mehr lange dauern und meine Töchter werden mich als Oma um Hilfe bitten … Ich sollte – trotz Digitalisierungswelle – langsam anfangen, das Bucheinbinden zu üben.

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