Mehrgenerationenhaushalt: Vor- und Nachteile

Mit den eigenen Eltern unter einem Dach, ein Mehrgenerationenhaushalt – eine Herausforderung. Grenzen setzen steht auf dem Tagesprogramm, auch für Eltern.

Meine Eltern wohnen jetzt seit vier Monaten mit uns unter einem Dach. Naja, nicht ganz, sie haben den Anbau für sich, wir wohnen weiterhin im Vorderhaus und diese Häuser sind miteinander verbunden. Sonst hätten wir keine Küche. Die benutzen wir nämlich gemeinsam.

Ich habe noch die Kommentare im Ohr vor dem großen Umzug: „Ihr wisst nicht, worauf ihr euch da einlasst“, „Ihr seid mutig, ich würde mir wünschen, dass das auch mit meinen Eltern so funktioniert“, „Das könnte ich nicht!“, „Finde ich großartig!“ usw. So unterschiedlich die Meinungen der Leute über das Projekt Großfamilie sind, so unterschiedlich sind auch Familien selbst. Sicher funktioniert solch ein Projekt nicht mit jeder Familie. Was aber auffällt, ist, dass der Wunsch, in einer Großfamilie leben zu wollen, bei mehr Menschen vorhanden ist als wir vermutet haben.

Wir haben uns dieses Vorhaben reiflich überlegt. 1 Jahr, bis die Entscheidung feststand, 1 Jahr Planung, 1 Jahr Bauphase. Die Idee alleine mussten mein Mann und ich auch erst mal an uns heranlassen, bevor wir vier uns gemeinsam mit meinen Eltern an einen Tisch setzten und der Idee Gestalt gaben. Und meine Vermutung hat sich bewahrheitet: Man wird mit Dingen konfrontiert, an die man, trotz sorgfältiger Vorbereitung, nie im Traum gedacht hatte.

Großfamilie unter einem Dach – die Vorteile

  • Das Erbe: Das Haus meiner Eltern wollte keines der Kinder übernehmen. Somit hätte es in jedem Fall verkauft werden müssen. Der Erlös kann gut aufgeteilt werden.
    Der Zeitpunkt. Noch sind meine Eltern rüstig. Besser jetzt, als in einigen Jahren umziehen. Die Freunde im Heimatort meiner Eltern starben einer nach dem anderen oder mussten in ein Altersheim; das Leben war nicht mehr wie früher, das Loslassen fiel immer leichter.
  • Geben und Nehmen: Jeder bringt das ein, was er hat und kann. In einer Familie sollte das selbstverständlich sein. Und das klappt auch prima. Das Projekt „Wohngemeinschaft“ bringt viele Vorteile, wenn man sich auf die Wünsche des anderen einlassen kann und nicht seinem Egoismus freien Lauf lässt.

Die Nachteile

Selbst nach dieser kurzen Zeit fallen einige Dinge schon auf.

  • Die Privatsphäre: Nicht jedem ist genehm, immer und überall „beobachtet“ werden zu können. Wichtig sind hier genügend Rückzugsorte und -zeiten.
  • Die Gewohnheiten: Falsche Erwartungen werden ans Tageslicht kommen und dürfen auch enttäuschen. Das muss man lernen auszuhalten. Klare Äußerungen und eigene Wünsche zu formulieren hilft auch hier, um einen Konsens zu finden.

Schnell hat sich z.B. bei meiner Mutter und mir herausgestellt, wer wo seine Stärken beim Kochen besitzt: Ich bin für das kurzgebratene Fleisch zuständig, sie für den Braten. Ich für den reichhaltigen Sommer-Salat, sie für den grünen. Ich für das schnelle Gemüse, sie für den komplizierten Auflauf. Sie hat mehr Geduld, ich kann gut die „schnelle Küche“. Wir erkennen das gegenseitig an. Das macht Freude, denn in der Küche sind wir zusammen schon jetzt unschlagbar…

Von Anfang an mussten jedoch Dinge klargestellt werden. Denn keinem hilft falsche Bescheidenheit und falsche Rücksicht. Es gibt bestimmte Grenzen, die jeder hat und die sollten nicht überschritten, sondern respektiert werden. Zur Not auch mit einem scharfen Wort um die Wichtigkeit aufzuzeigen.

Mit den Monaten hat sich ein Alltags-Turnus herausgebildet, der jetzt im Sommer gelebt werden kann. Aber im Winter, wenn wir wenig im Garten sein können, sieht das sicher nochmal anders aus…

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Ein Artikel von

Portraitfoto Jeanette Karbig

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