Familienberatung für Familien mit behinderten Angehörigen

Christine Gurtner berät und begleitet Menschen in Lebenskrisen und ist unter anderem spezialisiert auf Familien, in denen Behinderung ein Thema ist. Häufige Fragen: Wie kommen wir mit der Herausforderung ‚Behinderung in der Familie‘ zurecht? Wer betreut die beeinträchtigten Kinder? Und wie können Eltern auch den Bedürfnissen der Geschwister gerecht werden?

Meistens gibt es einen sozialen Anlassfall, wenn Familien mit behinderten Kindern in die Beratung kommen. Sie brauchen soziale Unterstützung, finanzielle Unterstützung, ihr Antrag auf Pflegegeld ist abgelehnt worden etc. Sie kommen zu Christine Gurtner, einer Familienberaterin, die spezialisiert ist auf Beratung und Begleitung für Menschen und Familien mit Behinderung.

Gurtner bespricht mit den Eltern, welche Form der Unterstützung, Begleitung und welche Settings dafür sinnvoll sind: Einzelbegleitung, Begleitung der Angehörigen oder auch Beratung des gesamten Familiensystems. Bei Bedarf oder Wunsch spricht sie mit den Geschwistern des behinderten Kindes, auch ohne Anwesenheit der Eltern oder des Kindes mit Behinderung: „Sie sollen die Möglichkeit haben, sich auszureden; sagen, was sie sich wünschen – ohne Angst zu haben, den anderen zu verletzen oder jedes Wort auf die Waagschale legen zu müssen.“ Oft sind zusätzlich auch gemeinsame Gespräche notwendig.

Fehlende Betreuung für Kinder mit Behinderung

Eine häufige Sorge von Familien mit behinderten Kindern sind Betreuungsprobleme. Die Eltern finden nur schwer jemanden, der ihr Kind mit Behinderung am Nachmittag betreut. „Die Schule ist für alle Kinder verpflichtend, da können Kinder mit Behinderung nicht abgelehnt werden. An schulfreien Tagen oder in den Ferien (Urlaubsansprüche sind kürzer) ist jedoch selten oder kaum jemand bereit, das Kind zu versorgen, weil eine große Angst bei den Betreuungspersonen da ist: „Was passiert, wenn ich etwas falsch mache? Wenn die Insulin-/Medikamenten-Pumpe ausfällt? Wenn ein Epileptiker unter meiner Obhut einen Anfall hat?“

Es ist für ‚fremde‘ Betreuungspersonen ziemlich schwierig, die Verantwortung – vor allem im medizinischen Bereich – zu übernehmen. Die Folge äußert sich  dann in der Verzweiflung der Eltern“, sagt Christine Gurtner.

Oft könne sie zu Kooperationen mit HeilpädagogInnen, AusbildungskandidatInnen oder Leihomas verhelfen, die regelmäßigen Kontakt mit den behinderten Kindern haben und eine Beziehung aufbauen können.

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Geschwister von behinderten Kindern brauchen auch Aufmerksamkeit

Das behinderte Kind braucht mehr Aufmerksamkeit, sowohl in der Pflege als auch in der Betreuung. Für die Geschwisterkinder bedeutet das, zurückstecken zu müssen. Sie verstehen zwar, dass das Geschwisterkind mehr Unterstützung braucht, dass es vieles nicht alleine kann und sie in der zweiten Reihe stehen. Sehr oft haben sie das Gefühl, übersehen zu werden. „Die Gefühle, die spürbar werden, bekommen selten Raum oder Möglichkeit, ausgelebt zu werden. Die Geschwister verstehen zwar, dass sie zurückstecken müssen, aber was machen sie mit ihren Gefühlen?“, beschreibt Christine Gurtner das Problem.

Es komme immer wieder vor, dass behinderte Kinder in die „Arm-Sein-Rolle“ gedrängt sind und die Geschwisterkinder auf dieses „arme Kind“ Rücksicht nehmen müssen. Oft entwickeln Geschwisterkinder in solchen Situationen Strategien, um sich mehr ins Blickfeld der Eltern zu rücken.

„Ganz wichtig ist, dass die Kinder ohne Eltern und ohne behindertes Kind all ihren Frust und alles, was sie belastet, deponieren können. Wir schauen gemeinsam, was sie sich wünschen und was sie brauchen“, sagt Gurtner. „Wenn die Eltern sehr fokussiert auf das behinderte Kind sind, kommen die Bedürfnisse und Wünsche der anderen Kinder oft nur peripher an. In der Beratung ist ein wesentlicher Aspekt: Jeder wird gehört. Ich habe als Beraterin oft die Vermittlerrolle.“

Familienberatung: Vertrauen und Gespräche

Am Anfang der Beratung braucht es ein Kennenlernen, die Eltern und Kinder bauen Vertrauen zur Beraterin auf. Dann beginnt in mehreren Gesprächen ein Prozess, zu erkennen, was es braucht, um etwas zu verändern und Möglichkeiten zu entwickeln, mit den eigenen Gefühlen umzugehen. Gurtner fasst zusammen:

„Es geht ums Zuhören, darum, Gefühlen einen Raum zu geben und in der emotionalen Not für die Menschen da zu sein.“

Offene und versteckte Probleme werden thematisiert

Christine Gurtner arbeitet seit 1999 als Beraterin, weil sie „immer schon gut begleiten und unterstützen konnte, schon während der Schulzeit“. Durch ihre eigene Behinderung hat sie selbst erlebt, welche Herausforderungen es in einer Familie gibt, in der Behinderung vorkommt. Später hat sie als Tagesmutter gemerkt, wie lange sie braucht, um herauszufinden, was die Kinder wirklich brauchen. „Ich habe gedacht, jetzt brauche ich eine profunde Ausbildung, damit ich besser und kompetent unterstützen und begleiten kann. Oft sind die augenscheinlichen Gründe unbewusst vorgeschobene Gründe, um die eigenen Gefühle zu reflektieren.“ Diese zu erkennen, sei durch die Beratungsausbildung leichter gegangen, und auch, „dass ich gelernt habe, schwierige Situationen und Gefühle anzusprechen.“

Christine Gurtner ist Familienberaterin bei der Beratungsstelle auf.leben in Wien, wo sie in einem Team auch zeit- und ortsunabhängige Onlineberatung anbietet.

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